© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/01 13. Juli 2001

 
Im Tal der Tränen
Angela Merkel bekommt die CDU nicht in den Griff
Alexander Schmidt

Die CDU scheint unbedingt das diesjährige Sommertheater beherrschen zu wollen. Mit kabarettistischer Eleganz werden halböffentliche Personaldebatten geführt, ohne tatsächlich einen Stamm an vorzeigbaren Alternativen zur ermattet scheinenden Politshow von Rot-Grün bieten zu können. Mittendrin, aber auch außen vor, ist die Parteivorsitzende Angela Merkel. Hilflos dementierend versucht sie, der immer offener vorgetragenen Kritik an ihren Führungsfähigkeiten zumindest im Adenauer-Haus etwas zu entgegnen. Welcher Abgeordnete nimmt aber tatsächlich ein allgemeines Donnerwetter seiner Chefin entgegen, vor deren Autorität nicht einmal mehr der biedere JU-Nachwuchs einzuknicken droht?

Helmut Kohls "Mädchen" hat es nicht geschafft, sich zur knallharten Polit-Managerin zu wandeln. Ihre anfängliche Offenheit gegenüber allen politischen Frontverläufen ohne eine eigene Festlegung hat sie zum Spielball der sich nunmehr entfesselnden Parteikriege gemacht. Kohl hat mit seinem quasi-absoluten Führungsstil die Debattenfähigkeit und geistige Wendigkeit der damals christlich-konservativen Partei eingestampft. Wenn Merkel jetzt glaubt, durch eine "liberale" Parteiführung die Spätfolgen Kohls beseitigen zu können, scheint das naiv und erinnert an das zum Scheitern verurteilte Unterfangen, einen Leichnam wiederzubeleben.

Statt wie Kanzler Gerhard Schröder oder auch Ministerpräsident Edmund Stoiber "populistische" Themen wie Kriminalitätsbekämpfung oder EU-Erweiterung aufzugreifen, produziert die CDU-Führung "Leitlinien zur inneren Sicherheit", die auch auf einem SPD-Parteitag konsensfähig wären. Bei CDU-Pressekonferenzen ist daher eher die äußere Erscheinung von Merkels Pressesprecherin Eva Christiansen der Blickfang als die langweiligen Aussagen der Parteichefin.

Hinzu kommt bei Merkel der Unwillen zur politischen Profilierung, die gerade von der Parteibasis immer lauter gewünscht wird. Statt aus ihrer Niederlage bei der Genforschungs-Debatte Lehren zu ziehen und ein klares Nein oder Ja zum Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr zu erklären, läßt Merkel in ihrem Büro die Konsensmaschine warmlaufen. Vage und zurückhaltend, so schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung, habe sich die Parteichefin zu einem neuen Mandat geäußert. Ein Einsatz erfordere eine Verbesserung der finanziellen Lage, lautet ihr freundliches Angebot an die Regierungskoalition.

Ihr Generalsekretär und Parteistratege Laurenz Meyer bildet für die First Lady der Union nur einen schwachen Ersatz für politische Intelligenzen wie Kurt Biedenkopf oder Heiner Geißler, die in den siebziger und achtziger Jahren als Generalsekretäre der Partei zumindest Akzente gesetzt haben – nach innen wie nach außen. Meyer dagegen produziert Pannen in Reihe, das aber zumindest verläßlich.

Als vormalige Nachfolgerin des farblosen Peter Hintze, unter dem der Generalsekretär zum obersten Postboten des Parteivorsitzenden wurde, muß auch Merkel damit kämpfen, daß sie in ihren zwei Jahren als Generalsekretärin keinen politischen Einfluß aufbauen konnte. Ebensowenig verfügt sie über eine Hausmacht, Unterstützung findet sie allein bei JU-Chefin Hildegard Müller und ihrer Stellvertreterin Annette Schavan. Nach außen hin muß Angela Merkel also an Meyer festhalten. Sein Absetzen noch vor der eigentlichen Bestätigung durch den Bundesparteitag im Dezember – Meyer ist seit der Suspendierung seines Vorgängers Ruprecht Polenz nur kommissarisch im Amt – würde ebenso Merkels politische Schwäche offenbaren und sie diskreditieren. Also muß sie damit leben, daß ihre eigentlich rechte Hand in der Öffentlichkeit erklärt, daß Merkel ihren letzten Fehler begangen habe. Wehren kann sie sich nicht, es fehlt ihr an Eloquenz und Charisma. Aber wer die Union kennt, weiß, daß sie mit dieser Schwäche dort keineswegs allein ist.

Mit im Trio Infernale der politischen Autisten ist neben dem umstrittenen Meyer auch der Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz, dessen persönliche Kompetenz inzwischen wieder weniger angezweifelt wird. Vom Ruf des politischen Langeweilers, zweifellos mit brillanten rednerischen Fähigkeiten, konnte er sich noch nicht befreien. Im Bundestag kreiden dem Wirtschaftsbürokraten inzwischen sogar die eigenen Fraktionskollegen an, daß er nicht in der Lage war, auch nur eine der von ihm angezettelten Kampagnen erfolgreich zu beenden.

Was also bleibt? Hessens Ministerpräsident Roland Koch ist noch immer mit den Folgen der Spendenaffäre beschäftigt und sucht im eigenen Landesverband zu retten, was zu retten ist. Sollte also tatsächlich CSU-Chef Stoiber den Weg nach Berlin antreten wollen – so gut die Umfragen auch für ihn stehen –, müßte er dem politischen Wahnsinn anheimfallen. Warum sollte er Bayern verlassen, um sich mit einer kollektiv kränkelnden Union herumzuärgern? Im immer mehr Raum einnehmenden Europa bietet der Nationalstaat ohnehin nur noch einen minimalen Gestaltungsraum im Gegensatz zu den immer noch gewichtigen Ländern.

Die CDU sollte auf den Gen-Zug aufspringen, Helmut Kohl ein paar Stammzellen (adulte natürlich) entnehmen und einen neuen Alten klonen. So würde zumindest die corporate identity stimmen. Es lebe der politische Zombie.


 
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