© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/01 13. Juli 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Erfolgsbilanz
Karl Heinzen

Die Zahl der Asylbewerber ist im ersten Halbjahr 2001 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 13,4 Prozent gestiegen. 40.782 Menschen aus aller Welt wählten diesen Weg, um zum Ausdruck zu bringen, daß sie entschlossen sind, sich selbst und dem Land ihrer Wahl eine neue Perspektive zu geben. Manche von ihnen dürften alles investiert haben, was sie besaßen, nur um hierher zu gelangen. Es ist nun an den deutschen Behörden, diesen Vertrauensvorschuß nicht durch eine kleinkarierte Anerkennungspraxis zu enttäuschen.

Es gibt nicht viele Möglichkeiten, um einen Eindruck davon zu gewinnen, was die Welt von unserem Land wirklich denkt. Die Asylbewerbungen sind hier so etwas wie eine Abstimmung mit den Füßen. Sie geben uns die Berechtigung, stolz auf unser Gemeinwesen zu sein, und sollten uns in unseren Nörgeleien über seine Schwächen zur Milde anhalten. Der Aufschwung, den diese Facette der Immigration aktuell wieder nimmt, gibt darüber hinaus Anlaß zu einer ermutigenden Feststellung: Der Asylkompromiß von 1993 hat seinen Zweck erfüllt. Die Bürger unseres Landes haben begriffen, daß dies kein Thema ist, mit dem sie bei Wahlen Schindluder treiben dürften. Die Entwicklung läuft nicht aus dem Ruder, es kommen zuverlässig genauso viele Asylbewerber ins Land, wie den hier bereits lebenden Menschen gerade noch zugemutet werden können. Gemeinsam arbeiten alle an einem Klima der Toleranz, um die Spielräume für eine Politik der offenen Grenzen zu gestalten.

Die Kampagne gegen Rechts ist in den Entsenderstaaten nicht als Indiz mißverstanden worden, daß Asylbewerbern in Deutschland eine über dem internationalen Standard liegende Gefahr drohen könnte. Sie nährte vielmehr die Sympathie für einen Staat, der sich allen Menschen, und hier bloß nachrangig seinen eigenen Bürgern, verpflichtet fühlt. Die Bundesrepublik wird eher Einheimische in die Emigration zwingen, als daß sie sich Immigranten verschließt.

Ein Einwanderungsgesetz kann nicht darauf abzielen, die bestehende Asylpraxis umzustoßen. Es muß zunächst darum gehen, ein Mehr an Immigration zu ermöglichen. Erst wenn dies erreicht ist, sollte man überhaupt einen Gedanken daran verschwenden, welches Profil für die Pole Position der Einwanderung erwünscht sein könnte. Dabei müssen die Interessen unserer Wirtschaft realistisch erkannt werden. Der Asylbewerber ist der Immigrant mit dem niedrigsten Anspruchsniveau. Man muß ihn nicht eigens umwerben, er kommt aus freien Stücken. Er ist daher prädestiniert für jene Jobs in der Dienst-leistungsgesellschaft, die am schlechtesten bezahlt sind. Ihn qualifizieren zu wollen, wäre Ressourcenverschwendung – man könnte dann ja auch gleich Einheimische ausbilden. Das Asylrecht kann bleiben, wie es ist. Aufgabe des Staates ist es aber, die Bewerber in adäquate Berufsfelder zu lenken und in der ersten Generation keine Erwartungen zu wecken, die nicht finanzierbar sind.


 
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