© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001

 
PRO&CONTRA
Den Grünen Punkt abschaffen?
Dr. Karl Ihmels / Wolfram Brück

Die Deutschen werden in der ganzen Welt bewundert, weil sie Abfälle wie die Hamster im Haushalt sortieren und getrennt zur Abfuhr geben. Dies geschieht in der Erwartung ökologisch hochwertiger Rückführung in den Wirtschaftskreislauf.

Dafür müssen die Bürgerinnen und Bürger auch noch Geld bezahlen. Gut 50 Mark pro Einwohner und Jahr, vom Baby bis zum Greis allein für die Verpackungsverwertung. Knapp vier Milliarden kommen davon beim Dualen System (DSD) an, dem Unternehmen mit dem Grünen Punkt.

Dies konnte man noch rechtfertigen als die allgemeine Hausmüllentsorgung auf einem relativ niedrigen ökologischen Niveau erfolgte. Mittlerweile aber ist der technische Fortschritt so gestiegen, daß der ökologische Vorteil einer speziellen Entsorgung von Verpackungsabfällen nicht mehr ins Gewicht fällt gegenüber der Hausmüllentsorgung heutigen Standards.

In Asslar (Lahn-Dill-Kreis) ist sogar für die Hausmüllentsorgung ein Niveau entwickelt worden, das dem des Grünen Punkts vergleichbar ist und nur die halben Kosten verursacht. Folglich müßte das Unternehmen mit dem Grünen Punkt schleunigst die Asslarer Technologie forcieren und sowohl den gelben Sack wie auch die Glascontainer abschaffen.

Tatsächlich konzentriert das Duale System Deutschlands seine gesamte Lobbyarbeit darauf, das System der Getrenntsammlung mit nachfolgender Sortierung langfristig abzusichern. Dies bedeutet langfristige Absicherung enormer Gewinne für die Vertragsunternehmen.

Aus der Sicht eines Monopols ist dies sicherlich vernünftig. Nur die Bürgerinnen und Bürger haben das Nachsehen. Jetzt ist der Gesetzgeber gefragt.

 

Dr. Karl Ihmels ist SPD-Landrat des Lahn-Dill-Kreises im hessischen Wetzlar.

 

 

Wer den Grünen Punkt und somit das Duale System abschaffen will, der entscheidet sich gegen das Zukunftsmodell Kreislaufwirtschaft und damit gegen eine nachhaltige Entwicklung. Das wäre in Zeiten schwindender natürlicher Ressourcen und angesichts wachsender globaler Umweltrisiken ein völlig falsches Signal.

Das Duale System zeigt mit seiner Ressourcenbilanz, wie effektiv Recycling die Rohstoffe schont: Allein die im Jahr 2000 durch Kunststoffrecycling eingesparte Energiemenge reicht aus, um alle Privathaushalte in Berlin rund 130 Tage mit Strom zu versorgen. Bei dieser Bilanz sind andere Verpackungsmaterialien noch gar nicht berücksichtigt. Das Duale System hat in den knapp elf Jahren seines Bestehens gezeigt, wie Produzentenverantwortung erfolgreich umgesetzt und damit Abfall vermieden werden kann. Seit Einführung des Grünen Punkts in Deutschland sind Verpackungen in den Regalen der Geschäfte nicht nur kleiner und leichter geworden. Auch die Menge der Verpackungsabfälle ist entgegen dem internationalen Trend um knapp 14 Prozent zurückgegangen – nach Meinung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine herausragende Leistung. Inzwischen nutzen europaweit 12 weitere Staaten den Grünen Punkt als Zeichen nachhaltiger Ökonomie.

Es kann also in Zukunft nicht darum gehen, das Duale System abzuschaffen. Vielmehr muß es Ziel sein, Entsorgung und Verwertung von Verpackungen kontinuierlich weiterzuentwickeln, vor allem aber andere Materialien und Produkte wie etwa Elektrogeräte oder Altautos in Kreislaufwirtschaftssysteme einzubinden. Die technischen und organisatorischen Grundlagen dazu hat das Duale System in den vergangenen zehn Jahren geschaffen – jetzt ist die Politik gefordert, diese gewaltige Aufbauleistung nicht grundlos aufzugeben, sondern zu nutzen und auszubauen.

 

Wolfram Brück ist Vorsitzender des Vorstandes der Duales System Deutschland AG.


 
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