© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Golden Goal
Karl Heinzen

Wo Geld vermutet werden darf, lohnt sich eine Untersuchung des nationalsozialistischen Unrechts, das es dort möglicherweise zu verantworten gilt. Der Deutsche Fußballbund (DFB) verdient daher kein Mitleid, bloß weil auch er sich auf einmal veranlaßt sieht, seine Verstrickungen in der Vergangenheit unter die Lupe nehmen zu lassen. Professor Klaus Hildebrand von der Universität Bonn und der "freie Historiker" Nils Havemann aus Mainz sind die Glücklichen, die in den nächsten Jahren einen Etat zur Verfügung haben, um auch in das dunkelste Kapitel in der Geschichte des runden Leders endlich ein wenig Licht zu bringen. Der Eklat um den Zweitliga-Neuling FC Schweinfurt 05, der sein Stadion immer noch nach dem Industriellen Willy Sachs benennt, obwohl dieser während des Dritten Reiches gelebt hat, beweist, wie wichtig und aktuell solche Bemühungen sind.

Erste Archivstudien der beiden Verstrickungswissenschaftler sollen bereits zur Ermittlung von Unterlagen geführt haben, die der Forschung bislang unbekannt waren. Niemand darf aber meinen, erst dieser Blick hinter die braunen Kulissen würde jene unangenehmen Wahrheiten liefern, die endlich ausreichten, um sich über den Mißbrauch des Fußballs zu empören. Das, was hinlänglich bekannt ist, weil es der DFB aus Unwissenheit, wenn nicht aus Zynismus sogar als seine Tradition ansieht, reicht bereits aus, um diesen nicht nur den Ball, sondern systemimmanent auch den Menschen und damit seine Würde mit Füßen tretenden Sport aus der Öffentlichkeit ganz in die Schmuddelecke des Pay TV zu verbannen.

Die Geschichte kann auch und gerade im Fußball niemand ungeschehen machen. Nach dem Spiel ist aber immer auch vor dem Spiel, es gibt also, und gerade darin liegt doch die besondere Attraktivität dieses Sports, immer die Chance, aus Fehlern zu lernen und Versäumnisse abzustellen. Der DFB ist hier jedoch immer noch viel zu zurückhaltend. Warum zum Beispiel werden die Meisterschaften, die zwischen 1933 und 1944 ausgetragen wurden, kaltblütig in den Statistiken gewertet, als hätte es das NS-Unrecht nie gegeben? Warum wird der FC Schalke 04, der die Hälfte dieser NS-Meistertitel erwarb, weiterhin in der höchsten deutschen Spielklasse geduldet? Warum darf der Regionalligist Fortuna Düsseldorf so tun, als hätte es bloß aufgrund seines Endspielsieges im Jahr 1933 etwas zu feiern gegeben? Warum wird statt dessen sogar die unglaubliche Geschmacklosigkeit geduldet, daß dieser Verein auf Veranlassung der als Trikotsponsoren auftretenden Schlagersänger "Die toten Hosen" mit einem stilisierten Totenkopf (noch allerdings ohne SS-Runen) aufläuft?

Fragen über Fragen, auf die der DFB nicht nur eine Antwort finden muß, durch die er sich vielmehr zu einer Gewissenserforschung veranlaßt zu fühlen hat, die zu einem neuen Verhalten führt. Zumindest die Meisterschale sollte darauf geprüft werden, ob alle Gravuren noch zu unserer heutigen Zeit passen.


 
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