© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001

 
Zittern um die Mandate
Berlin: Kandidaten-Gerangel bei der CDU / PDS und Republikaner nominieren ihre Bewerber für die Wahl zum Abgeordnetenhaus
Thorsten Thaler

Drei Monate vor der Berlin-Wahl am 21. Oktober hängt in der Hauptstadt-CDU der Haussegen schief. Zum Teil langjährige Abgeordnete müssen um ihre erneute Nominierung bangen, andere haben bereits von sich aus ihren Verzicht erklärt. Zu den prominenten Abgängern gehören der Landesvorsitzende und frühere Regierende Bürgermeister, Eberhard Diepgen, der ehemalige Fraktionschef Klaus Landowsky, dessen Spendenaffäre die politischen Umwälzungen in der Hauptstadt ausgelöst hatte, sowie Ex-Kultursenator Peter Radunski und der kulturpolitische Sprecher der Fraktion, Uwe-Lehmann-Brauns.

Daß insbesondere Diepgen, der am 16. Juni von SPD, Grünen und PDS als Regierungschef gestürzt worden war, nicht wieder antreten will, deutet auf einen weiteren Personalwechsel hin, über den in der Berliner CDU derzeit allerdings nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. Danach wird Diepgen, der seit 1984 an der Spitze der Landespartei steht und im November seinen 60. Geburtstag feiern kann, nach den Wahlen auch den Landesvorsitz abgeben. An seine Stelle soll der CDU-Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhaus-Wahl, Frank Steffel (35), treten. Wie aus Unionskreisen zu erfahren ist, stehe dieses Szenario für den Führungswechsel bereits seit Wochen fest.

Für die Plausibilität dieser Personalspekulation sprechen auch sibyllinische Interview-Äußerungen Radunskis. Der ebenso erfahrene wie erfolgreiche Wahlkampfstratege preist seinen Schützling Steffel zwar als wirklichen Neuanfang in der Berliner Politik an, fügt aber – zuletzt auf den "Berliner Seiten" der FAZ – hinzu: "Wenn es nicht kurzfristig trägt, dann trägt es auf jeden Fall mittelfristig." Um nach den Wahlen als Opposition gegen ein linkes Regierungsbündnis geschlossen agieren zu können, müßten Partei- und Fraktionsvorsitz aber in einer Hand liegen, heißt es in der CDU. Nur der Zeitpunkt der Staffelübergabe von Diepgen zu Steffel sei noch offen.

Bereits absehbar dagegen ist das Ende der politischen Karriere für eine Reihe von CDU-Abgeordneten. So werden der Bildungsexperte der Fraktion, Stefan Schlede, sowie selbst die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Cerstin Richter-Kotowski und Michael Braun dem neuen Parlament nicht mehr angehören. Alle drei wurden am vergangenen Sonntag von ihrem Kreisverband Steglitz-Zehlendorf nach heftigen Machtkämpfen nicht mehr aufgestellt. Auf Platz eins der Bezirksliste wählten die Delegierten den ehemaligen Kultursenator Christoph Stölzl, gefolgt von dem neuen Kreisvorsitzenden Jean Angelov und den Abgeordneten Michael Borgis, Ulrich Manske und Marcus Mierendorff.

Dichtes Gedränge herrschte auch im Kreisverband Mitte. Dort bewarben sich am Montagabend dieser Woche Kreischef Peter Kittelmann, Wahlkampfleiter Volker Liepelt, der neue Büroleiter von Steffel, Frank Henkel, sowie der Abgeordnete Heiner Kausch um vordere Listenplätze.

Ohne Überraschungen gingen im Kreisverband Spandau die Nominierungen über die Bühne. Dort setzten sich erneut drei Mitglieder der Jungen Union durch. Angeführt wird die Liste von dem Abgeordneten und Vorsitzenden der Jungen Union Berlin, Kai Wegner (28), weitere Kandidaten sind Matthias Brauner (26) und Marcus Weichert (25), die ebenfalls bisher schon dem Parlament angehörten.

Erwartungsgemäß verlief am vergangenen Wochenende auch ein Sonderparteitag der PDS, der ganz im Zeichen Gregor Gysis stand. Mit 103 von 113 Stimmen wählten die Delegierten den 53jährigen Gysi offiziell zu ihrem Spitzenkandidaten. Hinter dem PDS-Alleinunterhalter kandidieren die beiden Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus, Carola Freundl (38, Platz 2) und Harald Wolf (44, Platz 2) sowie die Abgeordneten Gesine Lötsch (39, Platz 3) und Marion Seelig (48, Platz 5).

Unterdessen haben auch die Republikaner auf einem Landesparteitag ihre Kandidaten für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus aufgestellt. Zum Spitzenkandidaten wurde der 80jährige Landesvorsitzende Konrad Voigt gewählt. Auf Platz zwei kandidiert sein Geschäftsführender Stellvertreter Gunnar Andres (60), der auch den Wahlkampf seiner Partei leiten wird. Auf den weiteren Plätzen folgen die Schatzmeisterin Marieluise Jeschke (66) und Wolfgang Seifert (61), Vorsitzender des Bundesschiedsgerichts und Geschäftsführender Vorsitzender der parteinahen Gottlieb-Fichte-Stiftung. Als einziges Nicht-Mitglied der Republikaner bewirbt sich der Unternehmer und Publizist Hans-Ulrich Pieper (53) auf Platz fünf der Kandidatenliste um ein Mandat.

Bei der letzten Wahl im Oktober 1999 kamen die Republikaner auf 2,7 Prozent der Stimmen. Auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT gab sich Wahlkampfleiter Andres zuversichtlich, dieses Ergebnis verbessern zu können. "Wir sind die einzige Partei in Berlin, die weder mit Filz noch mit Korruption etwas zu tun hat", sagte Andres. Ein "großes Problem" sieht er allerdings in der erforderlichen Sammlung von Unterstützungsunterschriften. Bis zum 17. September muß die Partei 2.200 Unterschriften sammeln. Andres verwies im Gespräch mit der JF auf die Erfahrungen von 1999. Damals habe die Partei knapp drei Monate gebraucht, um die Unterschriften beizubringen. In diesem Jahr stehen dafür nur knapp zwei Monate zur Verfügung. Trotzdem zeigte sich Andres optimistisch, diese erste Hürde zu nehmen.

Das Wahlprogramm der Republikaner ist nach Auskunft von Andres im "Rohentwurf" bereits fertig und kann Mitte nächster Woche vom Landesvorstand verabschiedet werden. Inhaltliche Schwerpunkte werden die Themen Innere Sicherheit und Kriminalitätsbekämpfung sowie Schule und Bildung sein. Der Wahlkampf soll vor allem mit Plakatwerbung, Informationsständen und Flugblatt-Verteilungen in Hausbriefkästen geführt werden; dazu kommen Fernseh- und Rundfunkspots. Ob sich auch auch der Bundesvorsitzende Rolf Schlierer in Berlin engagieren wird, steht bisher noch nicht fest.


 
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