© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001

 
Zeitschriftenkritik: Diskus
Verschiebungen in der Grammatik
Werner Olles

Zwar nennt sich der vierteljährlich in einer Auflage von 8.000 Exemplaren erscheinende diskus im Impressum immer noch "Frankfurter StudentInnenzeitschrift", aber wenn ein Blatt eine immerhin fünfzigjährige Geschichte nachweisen kann, und seine wichtigsten Themen und Schwerpunkte keinesweg auf den Erscheinungsort beschränkt sind, lohnt es sich schon, auch eine größere Leserschaft damit bekannt zu machen. Zumal der diskus während der Studentenbewegung in den sechziger und frühen siebziger Jahren durchaus eine weit über Frankfurt hinausgehende Rolle spielte, ganz abgesehen davon, daß hier nun einmal neben Berlin sowohl die intellektuell bedeutendsten als auch die militantesten Auseinandersetzungen stattfanden.

Natürlich wird auf diese bewegte Epoche immer wieder gern Bezug genommen, heutzutage sind die Zeiten halt nicht mehr so "revolutionär", und die Revolutionseliten von damals sind über Nacht zu Kadern der politischen Klasse mutiert. So singt diskus noch einmal unverdrossen das alte Lied vom "Häuserkampf" im Frankfurter Westend, trauert verlorenen Schlachten nach und appelliert dabei ein wenig larmoyant an das kollektive Gedächtnis der Linken. Daß die simple Agitation gegen die Spekulanten recht schnell in offen antisemitische Muster überging, wird durchaus thematisiert, dann aber doch schnell der mittelständisch-bürgerlichen "Aktionsgemeinschaft Westend" in die Schuhe geschoben. Eine derart dubiose Entsorgung der eigenen Vergangenheit diskreditiert jedoch das ganze Unternehmen "Häuserkampf" sogar noch im nachhinein.

Ein weiterer relevanter Themenschwerpunkt ist die "Krise des Antifaschismus und Antirassismus". Ins Schleudern gekommen durch die rot-grünen Einwanderungsversprechen ("Green Card"), ist man nun gezwungen, sich auf "eine um einiges anspruchsvollere Auseinandersetzung mit dem in Reform befindlichen staatlichen Rassismus" einzustellen. So ganz einfach scheint das aber nicht zu sein, denn man will ja auch nicht im Anti-Glatzen-Diskurs der Staats-Antifa "mainstreamisiert" werden oder verzweifelt nach "Bündnispartnern aus dem linksliberalen Spektrum" suchen. Da ist guter Rat wirklich teuer!

Wie verwirrt die radikale Linke angesichts gewisser Verschiebungen in der subkulturellen Grammatik ist, liest sich sehr schön an dem Beitrag "Dark Wave als kulturavantgardistische Kameradschaft". Daß die Assoziationskette "Subkultur – Subversion – Links" inzwischen in sich zusammengebrochen ist, wird hier jedoch ein bißchen voreilig als "kulturelle Hegemonie von rechts" gedeutet. Am Beispiel des alljährlichen "Wave-Gotik-Treffens" in Leipzig kann man gewiß darüber diskutieren, ob dies noch ein reines "Oberflächenphänomen" oder bereits "Ausdruck eines politischen Vorzeichenwechsels in den Subkulturen" ist. Eines steht allerdings jetzt schon fest, auch wenn es der diskus-Redaktion ganz offensichtlich ziemliche Bauchschmerzen bereitet: Die "Kids" sind schon längst nicht mehr "all right".

Anschrift: Mertonstr. 26-28, 60325 Frankfurt, Einzelheft: Bis Offenbach gratis, auswärts 5 Mark


 
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