© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001

 
CD: EBM / Industrial
Elektrodonner
Ulli Baumgarten

D as Düsseldorfer Triton-Label, spezialisiert auf die Musik der "Schwarzen Szene", von Dark Wave bis zu Industrial, veröffentlichte eine Doppel-CD,"Tricon II", mit einem Querschnitt durch die Szene. Die erste Lichtscheibe beginnt mit den Japanern von Jack or Jive, die die üblichen sanften Klänge und einschmeichelnden Gesang in jedem ihrer Lieder geschickt miteinander zu verbinden wissen. Schon mit dem zweiten Lied, "Architects of immortality" von Moon far away, erreicht die CD einen ersten Höhepunkt. Ruhige, fast ambient-mäßige Klänge voller Pathos und Leidenschaft; sicher eines der besten Lieder dieser Zusammenstellung. D’ arcadia setzen die Reihe der neoklassisch angehauchten und bewußt pathetischen Lieder fort mit ihrem "trust me deeper". Neutral eröffnen den Reigen der Neo-Folklore mit "Fest Noz", ihnen folgen Backworld mit "Pleasure park", das an die besten Momente von Death in June erinnert, der Kultgruppe des Neofolk, an deren Können sich alle Vertreter dieses Stils gewollt oder ungewollt messen lassen müssen. Aus dem Umfeld eben dieser Gruppe stammen Ostara, ehemals bekannt unter dem Namen Strength through joy. "The wolf’s door" ist ein weiterer Höhepunkt dieser CD. Aus deutschen Landen kommen Belborn, die Musik ist gut, die Texte etwas holprig. Vielleicht das beste Stück kommt von der französischen Gruppe Dawn & dusk entwined. Ihre Musik läßt sich am ehesten beschreiben als eine Mischung aus Endura, Swartalf und Von Thronstahl. Einfach genial! Bei ihrem Lied "Heading towards the west" handelt es sich um eine Auskoppelung von ihrer Lichtscheibe "Forever war", eine CD, für die man uneingeschränkt Kaufempfehlung geben kann. "Laudamus te" heißt das Stück von den in Deutschland leider noch ziemlich unbekannten Opera Multi Steel. Klassische Musik verbunden mit starken keltischen Einflüssen bringen The days of the trumpet call zu Gehör.

Die EBM/Synthiepop-Abteilung der CD beginnt mit gepflegter Langeweile von Arcana obscura, wird etwas besser bei Pulcher femina und richtig gut bei Snog und ihrem "Real estate man". EBM-typisch verzerrte Stimmen treffen auf donnernde Beats; Musik für die Tanzflächen der Szene, vielleicht sogar ein potentieller Hit. Dies könnte auch für die Bakterielle Infektion zutreffen, die mit einer Auskoppelung von ihrer CD "Dreamless" vertreten sind. Ihr "Duroplast" erinnert an die besten Momente des Synthie-Pop der achtziger Jahre, steht in der Tradition von den Silicon teens, New Musik und der frühen Human League. Der erste Teil der Doppel-CD endet mit Woodlawn und gutem Death-Metal von Ancient drive.

Die zweite Lichtscheibe bietet Industrial der harten und härtesten Art. Beispielhaft sei der Solokünstler P.A.L. genannt, dessen Werk "Reborn" eines der besten Stücke dieser CD ist und zeigt, was den Hörer erwartet: rhythmische Endlosschleifen verbunden mit Tönen, die einem Walzwerk zu entstammen scheinen. Gekonnt umgesetzt, ist das Ganze nicht nur hör-, sondern sogar tanzbar. Deutscher Industrial erreicht leider selten die Qualität dieses Künstlers und beschreitet viel zu oft ausgetretene Pfade. Zu den besseren Künstlern dieser CD zählen Celluloid Mata, Proyecto Mirage und Winterkälte sowie Disastrous Din. Eine Mischung aus Industrial und harter EBM bieten zwei der bekanntesten Gruppen dieses Genres: Warsaw Pact und Feindflug. Während Warsaw Pact voll zu überzeugen wissen und Elektrodonner in bester Dive-Manier anzubieten wissen, bleiben Feindflug etwas konturlos. "Stromtod" zählt nicht unbedingt zu ihren besten Werken. Desto besser jedoch ist das vorletzte Stück, Grendel mit ihrem Titel "Lust". Beendet wird dieses zweieinhalbstündige Hörvergnügen mit davaNtage und ihrem Lied "Target". Neben einer beachtlichen Quantität – immerhin sind 33 Interpreten auf dieser Doppel-CD versammelt – ist auch die Qualität wesentlich höher als auf den meisten Samplern.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen