© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
PRO&CONTRA
Sperrstunde abschaffen?
Helmut Otto / Johannes Fenz

Es wird Zeit! Die Sperrzeitverkürzung bedeutet für die Gastronomie im Land einen wichtigen Fortschritt und eine spürbare Verbesserung. Damit kommt die Politik einer schon lange "auf dem Tablett" befindlichen Branchenforderung nach. Eine Änderung der Sperrzeit wird es der Gastronomie ermöglichen, Umsatz dann zu machen, wenn die gastronomische Leistung vom Gast erwartet wird. Für eine Novellierung und Liberalisierung der Sperrzeitforderung spricht einiges. Jeder Gast hat ein Recht auf sein letztes Bier – und nicht nur die Gnade! Der Abschied von altertümlichen Sperrzeiten ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn die Lebensgewohnheiten der Bürger lassen sich nicht in starre Regelungen einbinden. Der Gast entscheidet, wann er geht!

Auch nimmt die alte Sperrzeitregelung dem Gastgewerbe die Möglichkeit, auf die bestehende Markt- und Nachfragesituation zu reagieren und engt die unternehmerische Freiheit ein.

Für die Wirte im Land bedeutet dies, daß sie keine gebührenpflichtigen Anträge auf Sperrzeitverlängerung mehr stellen brauchen, sondern sich auf die Gäste konzentrieren können. Aber auch in den Ordnungsämtern müssen weniger Anträge bearbeitet werden. Fazit: Für alle Beteiligten stellt sich eine wesentlich kostengünstigere Situation ein! Ein Mißbrauch ist nicht zu befürchten, denn an den Immissionwerten ändert sich nichts. Die Sorge, daß nun die Nacht zum Tag wird, ist nicht berechtigt. Der Markt wird dies regeln, d.h. wann Betriebe geöffnet und wann sie geschlossen werden, entscheidet der Verbraucher. Dies wird sich auf ein normales Maß einspielen und wird sich jeweils nach der Nachfrage, der Gästestruktur, dem Standort und der Auslastung der jeweiligen Betriebe richten. Entscheidend ist: Wer will, der kann. In reinen Wohngebieten ist nicht zu erwarten, daß Kneipen rund um die Uhr geöffnet sind.

 

Helmut Otto ist Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes in NRW und Präsidiumsmitglied des DEHOGA (Bundesverband).

 

 

Europaweit wird der Ruf nach Liberalisierung immer lauter. Leider wird dabei übersehen, daß jede Medaille zwei Seiten hat und es bei jeder Liberalisierungsmaßnahme neben den Gewinnern auch Verlierer gibt. Die österreichische Sperrstundenregelung ist zwar nicht unmittelbar mit der deutschen vergleichbar, Parallelen gibt es trotzdem. In Österreich wird beispielsweise die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten im Handel diskutiert. Wir haben uns als Familienorganisation dagegen ausgesprochen, weil längere Ladenöffnungszeiten a priori keine steigende Lebensqualität bedingen; vor allem dann nicht, wenn die Handelsangestellten Familie haben.

Natürlich ist das Einkaufen am Abend – genauso wie das länger im Gasthaus sitzen – für viele Menschen reizvoll. Dabei wird aber vergessen, daß diese Dienstleistungen von Menschen erbracht werden müssen; Menschen die vielleicht Familie haben und deren Lebensqualität durch diese Liberalisierungstendenzen stark reduziert wird. Die Tourismus-Branche ist eine Branche, in der die Angestellten durch die Wochenendarbeit von vornherein sehr stark belastet sind. Wenn nun die Sperrstunde nach hinten verlegt bzw. ganz abgeschafft werden soll, tut das jenen, die im Tourismus beschäftigt sind, doppelt weh.

Zur zweiten Gruppe der Verlierer zählen die Anrainer. Weil sie keine entsprechende Lobby hinter sich haben, wird auf ihre Bedürfnisse immer noch viel zu wenig Rücksicht genommen. Trotzdem haben auch jene Leute, vor allem Familien mit Kindern, die im Umkreis von Gaststätten wohnen, ein Anrecht auf Lebensqualität. Es muß also die Frage erlaubt sein, ob es bei einer Liberalisierung der Sperrstunde in Summe nicht mehr Verlierer als Gewinner gibt. Die politisch Verantwortlichen agieren leider viel zu sehr in einem vorauseilendem Gehorsam und gehen vor den Wirtschaftstreibenden und den internationalen Konzernen zu sehr in die Knie.

 

Johannes Fenz ist Präsident des Österreichischen und Vizepräsident der Föderation der Katholischen Familienverbände Europas.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen