© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
Fliegen kostet Milliarden
Bundeswehr: Verteidigungsminister Scharping reduziert die Truppe / Was bleibt von der Luftwaffe?
Rüdiger Ruhnau

Hochtechnologie bei der Bundeswehr ist teuer. Ausgerechnet das Jagdbombergeschwader 34 in Memmingen soll aufgelöst werden. Dabei haben die Allgäuer Tornado-Piloten mit modernen Managementmethoden versucht, die jährlich anfallenden mehr als eine halbe Milliarde Mark Kosten rigoros zu reduzieren. 2.000 Soldaten und zahlreiche zivile Mitarbeiter sind notwendig, um die Bereitschaft des Geschwaders jederzeit zu gewährleisten. Teuer sind die Flugstunden und die Wartung. Wenn der Kampf-Jet mit seiner zweiköpfigen Besatzung zu einem Testflug in den blauen Himmel über das bayerisch-schwäbische Allgäu steigt, kostet das leicht 10.000 Mark. Soll gar der Luftkampf mit scharfem Schuß geübt werden, steigert das die Kosten gewaltig; dann müssen die Piloten bis vor die Küste Sardiniens ausweichen oder sie trainieren mit US-Maschinen über Kanada.

Das Waffensystem Tornado ist ein Mehrkampfflugzeug. Entwickelt in den siebziger Jahren, kann es sowohl Aufklärungsflüge (mit automatischen drei Kamerasystemen) als auch zur Bekämpfung radargeführter Flugabwehr eingesetzt werden. Die eine Höchstgeschwindigkeit von 2.300 km/h erreichenden Tornados des Jabo-Geschwaders in Lechfeld bei Augsburg waren im Kosovo-Konflikt eingesetzt. Auch das Jabo G 51 aus Jagel (Schleswig-Holstein) war mit seinen Tornados im Kosovo; gestartet wurde vom italienischen Flugplatz Piacenza.

Die derzeit zehn Einsatzgeschwader der Bundesluftwaffe mit ihren 430 Kampfflugzeugen, aufgeteilt in Luftverteidigungs- und Luftangriffsverbänden, fliegen mit jahrzehntealten Maschinen. Die vier Jagdverbände der "Luftpolizei" haben den eigenen Luftraum zu verteidigen. Hauptsächlichster Waffenträger der Jagdgeschwader ist die F4-F "Phantom", deren Anschaffung der Verteidigungsausschuß des Bundestages schon vor 32 Jahren, zum Stückpreis von zwölf Millionen Mark, bei der US-Firma McDonnel Douglas beschlossen hatte. Nur unwesentliche Flugzeugteile wurden in Lizenz von MBB in Augsburg montiert. In den achtziger Jahren wurde zur Erhöhung der Kampfkraft eine Umrüstung aller 175 Phantom-Maschinen erforderlich. Als erstes wurde das Jagdgeschwader 74 "Mölders" in Neuburg an der Donau modernisiert. Durchschnittlich konnten 20 Phantom-Maschinen pro Jahr umgerüstet werden. Die Arbeiten zur Kampfwertsteigerung erfolgten in den Betriebswerkstätten der Dasa in Manching und Jever. Noch bis zum Jahre 2012 soll die F4-F "Phantom", deren Lebensdauer von 4.000 auf 6.000 Flugstunden erhöht worden ist, im Einsatz bleiben, um dann durch den Eurofighter abgelöst zu werden.

Im Jagdgeschwader 73 "Steinhoff" fliegen auch die aus der DDR übernommenen MiG-29, ebenfalls in der kampfwertgesteigerten Version. Überrascht zeigten sich die Printmedien, als bekannt wurde, daß ein deutsches Tornadogeschwader mit Atomwaffen ausgerüstet ist. Dabei ist doch die gesamte Bundesluftwaffe ein Teil der NATO-Luftverteidigung, deren Luftraumüberwachungs- und Führungssystem vom Nordkap über Mitteleuropa bis nach Anatolien reicht.

Den Kampfstaffeln der Luftwaffe stehen die Einsatzunterstützungsverbände zur Seite, bestehend aus Transportgeschwadern, Versorgungs- und Fernmeldeverbänden. Die beiden Lufttransportgeschwader 62,63 in Wunstorf/Niedersachsen und bei Rendsburg haben nur die betagten C-160 Transall-Fluggeräte zur Verfügung. Zwei von den Transportern waren in Ost-Timor eingesetzt. Wegen der ungenügenden Ladekapazität sollen sie baldmöglichst ersetzt werden. Im Gespräch ist der Airbus A 400 M. Ob er sich gegen das Konkurrenzprodukt der US-Rüstungsfirma Lockheed Martin wird durchsetzen können, ist fraglich. Auch woher die notwendigen rund 19 Milliarden Mark herkommen sollen, ist noch nicht geklärt.

In fast allen Rüstungsprogrammen haben die Amerikaner gegenüber den europäischen Konkurrenten einen Vorsprung. Sie genehmigen europäische Technologie nur dort, wo sich ihre eigenen Systeme verbessern lassen. Überhaupt können mit den drei größten US-Luftfahrtkonzernen Boeing, Lockheed und Northrop Grumman nur das britische Unternehmen BAe Systems (früher British Aerospace) und der Europäische Luft- und Raumfahrtkonzern (EADS) Schritt halten.

EADS ist kein homogener Block, sondern ein Bündel aus unterschiedlichen Firmen, mal privater, mal staatlicher Art. Im vergangenen Jahr fusionierte die Dasa mit der französischen Aerospatiale Matra und der spanischen Casa zur EADS. Der Dreierbund zählt 96.000 Mitarbeiter, der Konzernumsatz beträgt 44,3 Milliarden Mark. Dasa-Chef Rainer Hertrich ist einer der beiden Vorstandsvorsitzenden von EADS. Nachteilig ist, daß sowohl der französische als auch der spanische Staat über spezielle Vetorechte in strategischen Fragen verfügen. Die vier Erfolgsprogramme von EADS sind das Verkehrsflugzeug Airbus, das kommerzielle Raumtransportsystem Ariane, der Hubschrauber Eurocopter und der Kampfjet Eurofighter. Noch in diesem Jahr soll der erste Eurofighter aus der Serienfertigung seinen Erstflug absolvieren.

In Deutschland ist die Dasa (MTU München) der einzige Anbieter kompletter Flugzeugantriebe für den militärischen Markt. MTU entwickelt das Triebwerk EJ 200 für den Eurofighter und übernimmt die technische und logistische Betreuung. Für den mit zwei Strahltriebwerken (Höchstgeschwindigkeit MACH 2+) ausgerüsteten Eurojäger ist als Bewaffnung ein Luft-Luft-Lenkflugkörpersystem vorgesehen. Um den Auftrag bewerben sich die europäische und die US-Rüstungsindustrie. Zwar ist das US-Lenkflugkörpersystem schon erprobt und auch billiger, aber "ein europäisches Flugzeug braucht auch eine europäische Bewaffnung", sagt man auf deutscher Seite, "sonst machen wir uns beim Verkauf des Eurofighters in andere Länder von Exportgenehmigungen der Amerikaner abhängig". Im Werk Augsburg werden die Rumpfmittelteile für 620 Eurofighter zusammengebaut. Hervorzuheben ist das Personalmarketing der deutschen Flugzeugbauer. Durch aktive Präsenz an nationalen Hochschulen und ein onlinegestütztes Bewerbungsmanegement gelingt es der Dasa, direkten Kontakt zu interessierten Ingenieurstudenten aufzubauen.

Wie schwer es ist, eine europäische Einigung herbeizuführen, zeigt die Tatsache, daß zwar die italienische Alenia mit EADS in der Sparte des Eurofighter-Programms zusammenarbeitet, der französische Militärjet-Produzent Dassault dagegen seine eigenen Kampfflugzeuge herstellt.

Seit 1990 haben die Deutschen ihre Verteidigungsausgaben kontinuierlich gesenkt. Jetzt will der Bundeswehrreformer Scharping die Streitkräfte um 60.000 auf 280.000 Soldaten reduzieren. Der Personalumfang der Luftwaffe soll künftig bei 51.300 liegen und beim Flugmaterial wird eine Zahl von 300 Kampfflugzeugen für ausreichend gehalten. Es wird schwer werden für den Luftwaffengeneral und Generalinspekteur Kujat, diese Minimierung seinen Untergebenen verständlich zu machen. Abgesehen davon, daß die Totalumwandlung der Bundeswehr von einer Heimatschutzarmee zu einer international tätigen Krisentruppe auf nicht zu unterschätzende Vorbehalte stößt.


 
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