© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
WIRTSCHAFT
Der neue Entmündigungsgrad
Bernd-Thomas Ramb

Der Bund der Steuerzahler hat jetzt eine seiner jährlichen Meßgrößen veröffentlicht: den Tag des Jahres, ab dem die Steuerzahler – statistisch umgerechnet – nicht mehr für den Staat, sondern für den eigenen Verbrauch arbeiten. Nach 201,5 Tagen seit Jahresanfang, ab dem 22. Juli, war dies der Fall. Berechnet wurde dieser "Steuerzahlergedenktag" auf der Grundlage der Abgabelast: 32,4 Prozent des Einkommens bekommt der Fiskus, 22,8 Prozent die Sozialsysteme. Dem Bürger bleiben somit nur 45 Pfennige von jeder verdienten Mark für die eigene Verwendung übrig. In diesem Jahr immerhin fast zwei Pfennig mehr als im letzten, in dem die Abgabenlastquote 57,1 Prozent betrug.

Nun können die Zwangsabgaben an Finanzamt und Sozialsystem nicht vollständig von der persönlichen Wohlfahrt abgeschrieben werden. Diese Beträge sind zwar der individuellen Wahl der Verwendung entzogen, fließen aber in Teilbeträgen auch wieder zurück. Der Staat stellt Schulen und Straßen zur Verfügung, sichert die innere und äußere Sicherheit, kümmert sich in sinnvoller und auch unsinniger Weise um die kulturelle Versorgung des Bürgers usw. Der staatliche Versicherungsträger übernimmt Krankheitskosten, zahlt Renten und Arbeitslosengeld. Wie häufig diese individuellen Rückläufe exakt den individuellen Beiträgen entsprechen, läßt sich nur schwer feststellen, noch schwerer wie weit die staatlichen Wohltaten mit den persönlichen Bedürfnissen im Einklang stehen. Gerade diese Diskrepanz aber kennzeichnet die Problematik der Abgabenlast. Der Staat erhebt sich mit den Zwangsabgaben zum Besserwisser der Bedürfnisse seiner Bürger. Die Abgabenlast mißt daher über den materiellen Verlust hinaus den Grad der Entmündigung des Bürgers. In wie weit geschieht dies freiwillig?


 
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