© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
Frisch gepreßt

Heimatfront Hochschule. Gerhard Schröder, unser wahrer Volkskanzler, kann rhetorisch anständig auszuteilen. So klärte er uns neulich darüber auf, daß von den Deutschen "zwei Weltkriege angezettelt" worden seien. Die alte Mindermeinung Fritz Fischers vom wilhelminischen "Griff nach Weltmacht" ist also inzwischen gesunkenes Kulturgut und formiert unser Geschichtsbild. Wären die Deutschen 1914 das kriegslüsterne "Volk in Waffen" gewesen, hätte Andrea Wettmanns Marburger Dissertation über die Geschichte ihrer Alma mater im Ersten Weltkrieg wohl zu ganz anderen Resultaten kommen müssen. Stattdessen: von "totaler Mobilmachung" war an der Philipps-Universität wenig zu spüren, von "Zweckforschung" für die Rüstung auch nicht. Die "akademische Grundversorgung", nicht die Einordnung der Forschungsinstitute in die Kriegswirtschaft bestimmte den Alltag ("Heimatfront Universität. Preußische Hochschulpolitik und die Universität Marburg im Ersten Weltkrieg", SH-Verlag, Köln 2000, 515 Seiten, 98 Mark).

Anti-Modernisten. Bis zur Mitte der siebziger Jahre war es westdeutschen Gymnasiasten fast unmöglich, nicht mit Emil Staiger in Berührung zu kommen. Nimmt man diesen Namen heute in den Mund, muß man schnell hinzufügen, daß damit nicht jener Schweizer Kabarettist gemeint ist, der mit unserem Germanisten nur das schwere Schicksal teilt, so einen Vornamen tragen zu müssen. Staigers "Grundbegriffe der Poetik" (1946) vermittelten Generationen von Deutschlehrern ein Verständnis von Dichtung, das die "Autonomie des Kunstwerks" gegen politisch- ideologische Zudringlichkeiten panzerte. Damit war bald nach 1968 Schluß. Was aber nicht vergessen lassen sollte, daß die Eidgenossen nicht bloß die Kultur der Adenauer-Republik mit Frisch, Dürrenmatt und Staiger infiltrierten, sondern großen Einfluß schon seit Jacob Burckhardts Zeiten ausübten. Nach Ansicht der meisten Beiträger, die den Sammelband von Corina Caduff und Michael Gamper füllen, übten Staiger und einige seine älteren Kollegen wie der das "Germanenbild" prägende Andreas Heusler, Emil Ermatinger oder Walter Muschg als konservativ-völkisch gebundene Gegner westlicher Moderne einen "verhängnisvollen" Einfluß aus und lieferten den nördlichen Nachbarn Proviant für ihren "Sonderweg" ("Schreiben gegen die Moderne. Beiträge zu einer kritischen Fachgeschichte der Germanistik in der Schweiz", Chronos Verlag, Zürich 2001, 330 Seiten, 60 Mark).

Titos Gefangene. Von den fast 200.000 deutschen Soldaten, die in jugoslawische Kriegsgefangenschaft gerieten, kamen nur die Hälfte wieder in die Heimat zurück. Die oftmals grausamen Schilderungen der Überlebenden aus den Kriegsgefangenenlagern rufen den Zeitzeugen die Bilder der Gefangenenlager aus Bosnien-Herzegowina Mitte des letzten Jahrzehnts wieder ins Gedächtnis. Nirgendwo wurden, auch noch Jahre nach der Kapitulation, deutsche Kriegsgefangene derart gefoltert und gemordet wie in jugoslawischer Kriegsgefangenschaft. Milovan Djilas, berüchtigter Partisanenführer und späterer Stellvertreter Titos begründete die brutale und unmenschliche Behandlung gefangener deutscher Soldaten, aber auch kroatischer Ustascha-Mitglieder und bosnischen Moslems wie folgt: "...dieses Prinzip ist weder ausschließlich kommunistisch noch jugoslawisch. Auf dem Balkan hat Abtrünnigen und Aufrührern schon immer solch ein Schicksal geblüht." Autor Roland Kaltenegger, Schriftsteller und Journalist, hat sich insbesondere im Bereich der Militärhistorie durch zahlreiche Publikationen, speziell über die Geschichte der deutschen und österreichischen Gebirgsjägertruppen, einen internationalen Ruf erworben. ("Titos Kriegsgefangene", Graz, Stuttgart 2001, 350 Seiten, 49,80 Mark).


 
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