© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/01 10. August 2001

 
PRO&CONTRA
Länderfusion Berlin/Brandenburg?
Wolfgang Weber / Axel Hahn

Schon Hunderte Male haben die Mitarbeiter des Flugsimulatorzentrums von Lufthansa und Lufthansa CityLine die gelbe Linie den Piloten aus über 40 Ländern erklären müssen, die zum Training nach Berlin-Schönefeld kommen. Genau hier, wo die dicke gelbe Linie auf dem Boden der neuen Simulatorhalle auflackiert ist, auf der einen Seite in einem Wappenschild der Berliner Bär, auf der anderen der brandenburgische rote Adler, so erfahren die Flugzeugführer , verlaufe eine Landesgrenze. Eigentlich stehe der Simulator für die Boeing 737 in Berlin, jenes zehn Meter daneben plazierte Trainingsgerät für den neuen Canadair-Jet 700 jedoch in Brandenburg ...

Irgendeine tiefere Bedeutung hat die optische Verzierung des Hallenbodens nicht. Und genau das ist der Sinn der gelben Linie: Sie markiert – oder besser: karikiert – eine Grenze, wie sie unsinniger, deplazierter, bedeutungsloser kaum erscheinen könnte als genau hier, wo sie den vergeblichen Versuch zu machen scheint, eine der spektakulärsten und wirtschaftlich erfolgreichsten High-Tech-Einrichtungen der Hauptstadtregion zu entzweien. Nicht nur aus acht- bis zehntausend Metern Flughöhe, auf der sich der berufliche Alltag der Piloten in der Regel abspielt, wirkt der regionalpolitische Separatismus eher bizarr und höchst überflüssig. Aus der Perspektive der Luftfahrtbranche ist Berlin/Brandenburg eine schnell wieder an Bedeutung gewinnende Destination. Doch diese Destination muß mit im besten Sinne vereinten Kräften und großen Anstrengungen versuchen, im längst auf europäischer Ebene sich abspielenden Wettbewerb der Standorte aufzuholen und den ihr gebührenden Platz zu erobern.

Die beiden schönen Wappentiere werden auf dem Boden der Lufthansa-Simulatorhalle in Schönefeld erhalten bleiben. Auf die gelbe Linie aber können wir gerne verzichten. Je eher, desto besser.

 

Wolfgang Weber ist Leiter der Lufthansa-Pressestelle Deutschland-Nord/Ost/West in Berlin.

 

 

Das Wiederaufleben der Debatte um die Länderfusion fünf Jahre nach der Volksabstimmung offenbart, wie wenig ernst viele Politiker ihren Souverän, den Wähler, nehmen. Sie scheinen so oft abstimmen lassen zu wollen, bis das Ergebnis ihnen endlich genehm ist. So aber wird Demokratie zur Farce gemacht.

Für das Projekt der "Länderehe" sprach schon 1996 kein einziges Argument von Gewicht. Statt dessen wurde den Bürgern das Blaue vom Himmel herunter versprochen. Kein Hinweis war dumm genug, um nicht noch Verwendung in der amtlichen und steuerfinanzierten Fusionspropaganda zu finden. Die offizielle Broschüre der brandenburgischen Staatskanzlei warb gar mit 700.000 zusätzlich möglichen Arbeitsplätzen.

Raffinierter ging die Berliner Senatskanzlei vor, die schlankweg behauptete, die Konkurrenz zweier Bundesländer hemme die Investitionsbereitschaft und schmälere Beschäftigungschancen. Ein "Argument", das seither immer wieder für eine Fusion ins Feld geführt wird. Träfe es zu, müßten wir in Deutschland Schluß mit dem Föderalismus machen – und dürften ihn nicht länger als Modell für Europa preisen!

Dabei ist gerade das Gegenteil richtig: Konkurrenz belebt das Geschäft – auch das politische! Wir haben in unserer jüngeren Geschichte vom föderalen Wettbewerb der Länder profitiert. Wir brauchen auch künftig den Wettkampf der Ideen und politischen Konzepte.

Durch die Fusion würde dagegen ein Land entstehen, das von einer dauerhaften linken Mehrheit politisch geradezu erdrückt würde. Nicht umsonst ist die PDS auf die Linie der Befürworter eingeschwenkt. Ist sie doch die einzige Partei, die in Berlin und Brandenburg gleich stark ist und damit die wahre Profiteurin der Fusion würde. Dieses Land würde auf Jahrzehnte keine Alternative zur Links-Regierung kennen – mit allen negativen Folgen einer solchen Dauerherrschaft. Wer kann das wollen?

 

Axel Hahn ist Vorsitzender der Bürgerinitiative "Berlin bleibt frei" und war Abgeordneter der FDP in Berlin von 1990 bis 1995.


 
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