© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/01 17. August 2001

 
Er war ein echter Konservativer
Nachruf: Der ehemalige Herausgeber der Wiener „Presse“, Otto Schulmeister, ist am 10. August verstorben
Carl Gustaf Ströhm

Mit Otto Schulmeister, der letzten Freitag in Wien im 86. Lebensjahr verstarb, hat einer der letzten bedeutenden konservativen Publizisten Österreichs die Bühne für immer verlassen. Zuletzt wurde es still um ihn, der in den sechziger und siebziger Jahren eine kämpferische Feder führte und wegen seiner drastischen TV-Auftritte als „Kassandra“ der Alpenrepublik bezeichnet wurde.

 Anläßlich seines Ablebens wurde er als „großer österreichischer Patriot“ und als „publizistisches Gewissen“ des Landes gefeiert. Die Presse, deren Chef er von 1961 bis 1976 war und als deren Herausgeber er noch bis in die achtziger Jahre wirkte, widmete ihm jetzt einen großen Nachruf – allerdings nicht ohne einige Seitenhiebe auf den Toten, der sogar in der heutigen „Presse-Landschaft“ ein Fremdkörper schien. Die posthume Kritik, welche Schulmeisters „eigene“ Tageszeitung heute – verpackt in vordergründige Lobeshymnen – an ihm übt, ist jedenfalls bezeichnend. Schulmeisters Leitartikel seien oft „schwer verständlich“ gewesen – was allerdings weniger gegen den konservativen Publizisten als vielmehr gegen einige seiner jüngeren Kollegen spricht, die mit seiner universellen Bildung nicht mithalten konnten. So schreibt Schulmeisters Nachfolger als Chefredakteur, Andreas Unterberger, wörtlich in seinem Nekrolog: „Schulmeister fuhr in manchen Fragen eine Linie, die uns Heutigen unverständlich erscheinen mag.“ Der Verstorbene habe der Presse-Redaktion verboten, den Begriff „österreichische Nation“ zu verwenden – und außerdem habe er „immer wieder Sympathien für autoritäre Länder von Spanien bis Südafrika“ gezeigt. Hier aber zeigt sich, daß Schulmeister ein Konservativer war, der mit engbrüstigem klein-österreichischen Denken nichts anzufangen wußte. 

Er kam aus der katholischen Jugendbewegung, war noch in die alte k.u.k.-Monarchie hineingeboren worden – kurz bevor sie auseinanderbrach. Für ihn war österreichische Geschichte stets auch „Reichsgeschichte“. Sein Lebensbogen reichte vom alten Europa der Donaumonarchie über die schrecklichen totalitären Erfahrungen bis in die Gegenwart. Diese unwiederholbare Lebenserfahrung lehrte ihn, daß alles nicht so einfach und glatt ist, wie es sich die „schrecklichen Vereinfacher“, die gerade heutzutage wieder am Werk sind, vorstellen. Das Bewußtsein, daß wir in einer Zeit der Krise, des Übergangs, ja auch des Zerfalls leben – trotz oder sogar wegen materiellen Wohlstands – prägte seine Warnungen, seine Ungeduld, manchmal auch seine stoische Resignation. Einmal sagte er dem Verfasser dieser Zeilen: Wenn es einen ideal-typischen Leser der von ihm redigierten Presse gebe, dann sei es – Bruno Kreisky, damals SPÖ-Bundeskanzler. 

Denn im Grunde verkörpere, so Schulmeister, Kreisky wie kaum ein anderer jene liberale bildungsbürgerliche Schicht, für welche die Zeitung einst gegründet wurde. Schulmeister kannte das Auf und Ab des Lebens. Im Zweiten Weltkrieg wurde er zur Donauzeitung abkommandiert – der deutschen Zeitung im besetzten Belgrad. Er hat dort die Balkan-Tragödie hautnah erlebt und oft zwischen den Zeilen durchaus lesenswerte Analysen geschrieben. Ihn deshalb zu schelten, ist unsinnig: Nicht jeder, der als Passagier auf einem Schiff mitfahren muß, muß mit dem Kurs des Kapitäns einverstanden sein. Schulmeister war ein hochgebildeter Mann – und ein „Herr“ in des Wortes bester Bedeutung. Leute seines Schlages sterben leider aus. Deshalb werden auch gute Zeitungen immer seltener.


 
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