© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/01 17. August 2001

 
Frisch gepreßt

Kondylis. Die meisten deutschen Geistes- und Sozialwissenschaftler seien heute noch, nach der Implosion des Ostblocks, mit „Status-Quo-Rechtfertigung“ beschäftigt - was von ihnen die „gänzliche Vernichtung“ ihrer eigenen politisch-geistigen Tradition fordere. Der Heidelberger Politikwissenschaftler Hans-Joachim Arndt, dem wir diese 1997 gezogene Bilanz verdanken, wies jedoch zugleich auf schwache Gegenkräfte hin, die „Sprache und Denkstruktur des Status-Quo-Systems eindeutig verwerfen und es zu überwinden suchen“. Zu ihnen zählte Arndt Panajotis Kondylis (1943-1998), einen Ideenhistoriker und Sozialphilosophen (siehe JF 38/00), der die „Globalisierung“ thematisierte, als sich noch kaum jemand etwas darunter vorstellen konnte. Kondylis‘ Tagespublizistik, seine zumeist in der FAZ veröffentlichten politischen Essays u. a. über „Globale Mobilmachung“ oder „Der Traum vom Weltstaat“ sind jetzt bequem in einem nachdrücklich zur Lektüre empfohlenen Sammelband zugänglich („Das Politische im 20. Jahrhundert. Von den Utopien zur Globalisierung“, Manutius Verlag, Heidelberg 2001, 222 Seiten, 38 Mark).

Vom SD zur WB. Der Tübinger Wissenschaftshistoriker Joachim Lerchenmüller hat sich nicht entmutigen lassen. Immerhin mußte er für seine Dissertation zu politisch-weltanschaulichen Aspekten der deutschen Keltologie zwischen 1900 und 1945 (1997) herbe Kritik einstecken. Abgesehen von sprachlichen Schwächen habe das Werk, so Karlheinz Weißmann, nur Mutmaßungen geboten (Criticon 161/99). Im Vergleich damit hat Lerchenmüller sich gesteigert. Seine jüngste Arbeit dokumentiert faktenreich, unter weitgehendem Verzicht auf das bei ihm übliche Bewältigungsvokabular, die Anstrengungen des Sicherheitsdienstes (SD) der SS, sich einen Historikernachwuchs heranzubilden, zu dem auch Ernst Anrich zählte, nach 1945 Mitbegründer der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (WB), wo man heute das PC-Plansoll gern übererfüllt, den Gründungsvater aber notorisch verleugnet („Die Geschichtswissenschaft in den Planungen des Sicherheitsdienstes der SS. Der SD-Historiker Hermann Löffler und seine Gedenkschrift ’Entwicklung und Aufgaben der Geschichtswissenschaft in Deutschland‘“, Verlag J. H. W. Dietz, Bonn 2001, 320 Seiten, Abb., 68 Mark).


 
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