© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/01 24. August 2001

 
Brummis fahren für Eichels Haushalt
Verkehr: Die ab 2003 geplante Lkw-Maut stößt auf Kritik / Umweltwirkung gering / Wettbewerbsnachteile für Deutsche bleiben
Ronald Gläser

Verschiedene Umweltgruppen in der deutschen Hauptstadt protestieren kürzlich gegen die neusten Pläne der Bundesregierung, Lkws ab 2003 mit einer Mautgebühr allein für Autobahnen zu belegen. Die Befürchtung der Ökoaktivisten: Aus Polen kommende Lastkraftwagen könnten ihre Wegstrecke in das überlastete Berliner Zentrum verlagern, um der geplanten Gebühr wenigstens teilweise zu entgehen. Der Anteil des Güterverkehrs auf Deutschlands Straßen wächst seit Jahren. Entsprechend wachsen die Belastungen durch Abgase und Lärm. Von 1991 bis 1999 stieg die Gesamtfahrleistung der Lkw um 26 Prozent, die der Pkw nur um 10 Prozent. Mittlerweile werden rund 70 Prozent des Güterverkehrs in Deutschland auf der Straße abgewickelt - Tendenz steigend.

Die in jüngster Zeit wieder aufgeflammte Debatte über Autobahngebühren paßt sich nahtlos in die rot-grüne Verkehrspolitik ein. Die Kohl-Regierung bemäntelte entsprechende Vorstöße in diese Richtung wenigstens noch mit dem Anliegen, die gesamte Besteuerung vereinfachen zu wollen. Die jetzigen Vorschläge würden das System komplizierter und teurer zugleich machen.

CDU-Verkehrsminister Matthias Wissmann hat schon Mitte der neunziger Jahre die Einführung komplizierter Modelle zur Abführung nutzungsabhängiger Entgelte erwogen. Zwischen Köln und Bonn wurde bereits 1997 mit dem TÜV ein Modellversuch gestartet, der Lkw-Fahrten basierend auf der GPS-Technologie auswertet. Dadurch sollte eine kilometerabhängige Mautgebühr individuell errechnet werden.

Gleichzeitig wurde immerhin auch in Hinblick auf Pkw-Nutzer die Abschaffung der völlig ineffizienten Kfz-Steuer in Erwägung gezogen. Diese lohnt den Aufwand nicht. Sie muß individuell für jeder Fahrzeug errechnet werden. Sie muß gegebenenfalls eingetrieben werden. Legte man die Steuer aufkommensneutral für den Durchschnittsfahrer auf die Mineralölsteuer um, würde der gesamte administrative Aufwand wegfallen. Außerdem könnten endlich die ausländischen Fuhrunternehmer, die mit Dumping-Angeboten den inländischen Markt zerstören, besteuert werden. Das würde die Chancengleichheit wieder herstellen. Allerdings: Die Steuer steht den Bundesländern zu - daher haperte es bei der schwarz-gelben Bundesregierung mit der Umsetzung der Mautpläne. Wie in so vielen Politikbereichen konnten sich die Koalitionspartner nicht mehr auf ein Konzept einigen, das sie dann auch noch durchgesetzt hätten. Die rot-grünen Verkehrsexperten sehen jetzt eine neue Chance, regulativ in diesen Bereich des Wirtschaftslebens einzugreifen.

Im März kündigte der neue Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) ein neues Mautmodell an, das für Lkw zusätzliche Kosten in Höhe von 25 Pfennig pro gefahrenem Autobahn-Kilometer vorsieht. Seit letzter Woche sind 27 bis 37 Pfennige in der Diskussion. Einer Pkw-Maut erteilte Bodewig zunächst eine Absage. Um die relevanten Daten erfassen zu können, soll das bereits unter Wissmann geplante satellitengestützte Überwachungssystem wiederbelebt werden. Dies setzt die hundertprozentige digitale Kontrolle eines gesamten Wirtschaftszweiges voraus.

Auch im neuen Regierungslager ist diese Regelung nicht unumstritten. Die Grünen wollten eine zukünftige Maut für Pkw nicht ausschließen. Und NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) erkannte zutreffend, daß eine parallele Besteuerung des Verkehrs durch die Mineralöl-, die Kfz-, die Ökosteuer, eine Vignette und eine entfernungsabhängige Steuer unpraktikabel sei. Kritik setzte auch auf der Seite der Logistikwirtschaft ein. Der Verkehrsminister verwies in seiner Antwort auf die Entlastungen durch die Steuerreform, die stets angeführt werden, wenn einer Wirtschaftsbranche neue Belastungen auferlegt werden. In die Beratungen innerhalb der Regierung mischte sich - erfolglos - auch das Umweltbundessamt (UBA) ein. Dessen Präsident Andreas Troge forderte wie in der Schweiz etwa 78 Pfennig Maut und eine Berechnung, in die auch die Anzahl der Achsen eines Fahrzeugs einfließt. Immerhin belastet ein schwerer Lkw das Straßennetz etwa sechzigtausendmal mehr als ein Pkw!

Inzwischen wurde die Maut von der Bundesregierung beschlossen. Die prognostizierten Einnahmen sollen in den Autobahnbau fließen. Allerdings fallen auch hier bemerkenswerte Diskrepanzen zwischen den Bundesländer auf: Während der Anteil der Bundesmittel für den Freistaat Bayern auf 15 Prozent gesenkt werden soll, steigen die Investitionen in NRW um sechs auf 32 Prozent.

Der größte Teil der Mehreinnahmen soll aber in den Bundesetat fließen, weitere Millionen in den Ausbau des Bahnnetzes. Der FDP-Vekehrsexperte Horst Friedrich brachte die Kritik an diesem neuen fatalen Schritt der Verkehrspolitik unter dem „Autokanzler“ auf den Punkt: Sie sei ein weiteres Produkt „rot-grüner Abzockerei“.


 
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