© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/01 24. August 2001

 
Fantasiens Zentralorgan
Zeitschriften: „Der Jungkommunist“
Claus-M. Wolfschlag

Nicht immer ist die etwas überschätzte Satirezeitschrift Titanic am Werk, auch wenn man es oft vermutet. Und hinter der kleinen Zeitschrift Der Jungkommunist stecken keine ehemaligen Bürgerrechtler, die ihren Frust über PDS-Regierungsbeteiligungen mit Hilfe derber Ironie abzuleiten versuchen. Nein, die von der „Jugendkommission beim ZK der Kommunistischen Partei Deutschlands“ herausgegebene Monatszeitung ist wohl ernst gemeint und verblüfft dadurch um so mehr.

Daß da vom „antifaschistischen Kampf“ als „Kampf gegen den Imperialismus“, „Kampf für eine neue, bessere Gesellschaft ohne Rassenhaß und Fremdenfeindlichkeit, ohne Ausbeutung und Unterdrückung, ohne Repression und Krieg“ und „Kampf, für den es sich heute lohnt zu leben“ berichtet wird, kann man noch als gängige linke Phraseologie abtun, die in veränderter Terminologie bereits von wohlbezahlten Mainstream-Politikern unters Volk gestreut wird. Auch Hinweise auf Aktionen von allerlei kommunistischen Kleingruppen, wie dem „Roten Tisch Hannover“, sind noch keine Besonderheiten der einschlägigen Szeneliteratur.

Ansonsten aber werden dem unvorbereiteten Leser außergewöhnliche Einsichten nahegebracht. Zum Beispiel die Geschichtsinterpretation des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953, der stattgefunden hätte, weil die „Arbeiter-und-Bauern-Regierung“ der DDR dem „deutschen Imperialismus“ aufgrund ihrer, nach dem „Tag der Befreiung vom Faschismus“ eingeleiteten, sozialpolitischen Maßnahmen ein Dorn im Auge gewesen wäre. „Die junge DDR sollte ausgeblutet werden“, da die westdeutschen Konterrevolutionäre nicht mitansehen konnten „wie die DDR trotz ungeheurer Schwierigkeiten und trotz aller Störaktionen auf dem Weg zum Sozialismus voranschritt“. Zum Glück hätte das Politbüro nach den Protesten den Werktätigen die Situation erklärt „und fand ihr Verständnis“. Walter Ulbricht war also doch nur ein mißverstandener lieber Kerl, und so erinnert Der Jungkommunist auch neben dem „Solidaritätslied“ unter einem große Porträt des verdienten Genossen an dessen Geburtstag vor 108 Jahren. Glückwunsch nachträglich.

Leider war sein Werk nicht von Dauer, denn die „Nazigrößen“ in der kapitalistischen Bundesrepublik betrieben 1989/90 die „Annexion der DDR durch das westdeutsche Kapital“, wodurch auch der „erneut aufkeimende Faschismus in die DDR importiert“ wurde. Logisch, „denn Kapitalismus und Faschismus bilden eine organische Einheit!“

Nach soviel Tragik braucht der Leser etwas Entspannung. Dem kann die Rätselecke dienen. „Wer ist dieser Revolutionär?“ wird der fiebernde Quizfan neben dem Porträt eines altgedienten Genossen gefragt. Antwort a. (Heinrich Heine), b. (Georg Herwegh) oder c. (Friedrich Engels)? Die Auflösung folgt im nächsten Heft. Als Preis gibt es bei „Jungkommunisten“ natürlich keine Millionen, aber immerhin ein gerahmtes Bild eines großen deutschen Revolutionärs zugesandt. Das Rätsel in Ausgabe 5/2001 löste übrigens Hansjörg Schupp, der die Antwort „Karl Marx“ übermitteln konnte. Noch ein Glückwunsch.

Weiter findet sich in dem Blatt eine Comicserie „Die Revolution in Rußland 1917“, eine Serie über „Ernst Thälmann. Vom Transportarbeiter zum KPD-Vorsitzenden“ und über „Massenorganisationen der KPD“, zum Beispiel die „Roten Jungpioniere“, von denen vier uniformierte Zehnjährige grüßend dem Betrachter auf einem Foto entgegenlachen.

Die letzte Seite wird für Termine und Kleinanzeigen genutzt. Da sucht dann ein Leser das Buch „Trotzki - Feind der Revolution“, ein anderer eine Stalin-Büste oder eine LP mit „Arbeiterliedern der DDR-Produktion“. Einer sucht gar „ständig“ Fotos und Grafiken von „Arbeiterführern, vom Klassenkampf, von Demonstrationen vom antifaschistischen Widerstandskampf“. Sie alle dürften sich an das richtige Organ gewandt haben.

Zum Gemeinschaftserleben wird für die jährliche Buchenwald-Fahrt geworben oder für ein Seminar zur Geschichte der Arbeiterbewegung (für ÖTV-Mitglieder übrigens kostenlos!). Als Büchertips bietet Der Jungkommunist unter anderem die Werke „Entlarvung der verlogenen Geheimrede Chruschtschows an den XX. Parteitag der KPdSU“ oder „Antifaschismus und antifaschistischer Kampf- Interview“ von Kurt Gossweiler.

Bei soviel Nostalgie ist es fast schon wieder rührend, daß es in unseren nüchternen Zeiten Menschen gibt, die ihr eigenes „Fantasien“ um sich herum aufgebaut haben, zwischen Lenin-Medaille und KPD-Häkeldeckchen. Wenn da nicht immer dieser Streit und Unfriede wäre. Und der liegt nunmal oft nicht in den „Faschisten“ begründet, die ja meist nur in den Köpfen spuken, sondern bei den „antifaschistischen“ Kämpfern selbst, beziehungsweise deren Konkurrenz.

Obwohl die KPD auf dem 20. Parteitag vor zwei Jahren ein strikt marxistisch-leninistisches Parteiprogramm beschlossen hatte, lehnte die DKP nach fünfmonatiger Wartezeit in einem Schreiben jede Zusammenarbeit mit Verweis auf ihren Alleinvertretungsanspruch in Arbeiterangelegenheiten ab. Die Klage des Jungkommunisten ist verständlich: Es könnte alles so schön sein, doch jeder Genosse will nunmal seine eigene Revolution machen.

„Der Jungkommunist“. Monatszeitung der kommunistischen Jugend, Eigenverlag und Vertrieb „Wilhelm Pieck“, Postfach 600145, 10251 Berlin. Einzelpreis 1 Mark


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen