© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/01 31. August 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Stabilitätspause
Karl Heinzen

Deutschland erweist sich in diesen Ta­gen wieder einmal als ein Motor der eu­ro­päischen Integration. Auf eine Anregung von Hans Eichel hin werden sich wohl zumindest Frankreich, Italien und die Bundesrepublik gemeinsam eine Stabilitätspause genehmigen und ihre Haus­haltsdefizite bis auf weiteres frei von den Fesseln ehrgeiziger, aber leicht­fertiger und daher verantwortungsloser Selbstverpflichtungen gestalten. Es wäre im Sinne einer wohlverstandenen Konvergenz, wenn die drei Kernstaaten der Euro-Zone ihre übrigen Partner dazu motivieren könnten, es ihnen gleichzu­tun.

Die Währungsumstellung hat nahezu alle Beteiligten wenigstens programmatisch zu einer rigiden Etatdisziplin verleitet, die meinte, eher auf den Irrationalismus der Finanzmärkte Rücksicht nehmen zu müssen denn auf die pragmatischen Erfordernisse einer vernünftigen Innenpolitik. Heute ist man klüger und erkennt, daß zur Glaubwürdigkeit auch gehört, sich von einer unglaubwürdigen Maxime verabschieden zu können.

Niemand in der Euro-Zone muß sich deshalb Vorwürfe machen. Die Währungsunion hat nun einmal keine wirtschaftliche Dynamik losgetreten und den öffentli­chen Haushalten daher auch keine neuen Spielräume eröffnet, um die Defizite zu reduzieren. Auch die großen, international aufgestellten Konzerne, in deren Interesse die Einführung des Euro doch vor allem lag, sind für sich genommen zu schwach, um der europäischen Wirtschaft hier Impulse geben zu können. Man darf schon froh sein, wenn es ihnen wenigstens gelingt, ihre Ertragslage zu bessern.

Stabilitätspolitik kann kein Selbstzweck sein. Die Generation, die den Euro beschloß, lebte noch in dem Glau­ben, gegenüber einer vermeintlich kritischen Bevölkerung Überzeugungsarbeit leisten zu müssen. Heute ist sie längst abge­treten, und ihre Nachfolger dürfen feststellen, daß es zwar durchaus sinnvoll war, auf Zeit zu spielen, daß so manche Befürchtung, die man einst hegte, sich aber schlichtweg als unbe­gründet herausgestellt hat. Wer kann heute noch nachvollziehen, warum Theo Waigel meinte, mit dem von ihm maßgeb­lich geprägten Stabilitätspakt eine eu­ropäische Zukunft der Etatdisziplin de­kretieren zu müssen? War nicht schon damals zu erkennen gewesen, daß es nicht nötig sein würde, irgend jemanden vom Euro zu überzeugen, da der einzelne Wähler doch weiß, daß er zwar, wenn er bemerkt, wer das Rennen macht, zu jenen gehören kann, die Politiker in die Wüste schicken, daß er sich mit seinem Stimmzettel aber niemals gegen das Schicksal aufzulehnen vermag?

Der Euro hat sich, nicht allein in Deutschland, so wenig auf Wahlen ausgewirkt, als hätte er nie zur Debatte ge­standen. Man kann darin eine Art Reifezeugnis für unsere politische Kultur sehen: Kernfragen werden aus der täglichen Bewußtseinsbildung und Entscheidungsfindung herausgehalten. Die Öffentlichkeit wird daher auch mit der Abkehr vom Stablitätspakt umzugehen wissen.


 
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