© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/01 07. September 2001

 
Das Ziel heißt noch immer Groß-Albanien
Mazedonien II: Der südliche Balkan wandelt sich in einen Hort der organisierten Kriminalität
Michael Wiesberg

Angeblich geht es der UÇK bei ihren terroristischen Übergriffen in Mazedonien vorrangig um die Gleichstellung der mazedonischen Albaner. Diese Version der laufenden Ereignisse ist wenig mehr als Propaganda, mit der die „westliche Wertegemeinschaft“ wohlwollend gestimmt werden soll.

Welche Ziele die UÇK in Mazedonien wirklich verfolgt, verdeutlichte Sadri Ahmeti, einer ihrer Sprecher, in einem Interview mit Carlotta Gall, einer Redakteurin der New York Times, im März dieses Jahres. „Wir wollen“, so Ahmeti, „daß sich die mazedonischen Einheiten aus unseren Gebieten zurückziehen“. Der albanische Politiker Arben Xhaferi hat verdeutlicht, was Ahmeti genau meint. Die UÇK wolle für die mazedonischen Albaner den Status einer gleichberechtigten föderativen Republik, der das Recht zur Lossagung von Mazedonien beinhalte. Die UÇK-Rebellen kämpften für die Eliminierung mazedonischer Polizei- und Militäreinheiten auf, so Xhaferi, „unserem Territorium“.

Damit artikulieren Sympathisanten und Sprecher der UÇK Zielvorstellungen, die bereits im Vorfeld des Kosovo-Krieges in ähnlicher Art und Weise zu hören waren. Nur politische Träumer können deshalb glauben, daß mit dem symbolischen Einsammeln der Waffen der UÇK der Konflikt in Mazedonien in geordnete politische Bahnen gelenkt werden könnte. Wichtige Protagonisten der UÇK haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß ihr Ziel nach wie vor Groß-Albanien heißt.

Und wieder, wie im Falle des Kosovo-Krieges, scheint sich die Nato zum Erfüllungsgehilfen der UÇK machen zu wollen, werden die Vertreter dieser terroristischen Vereinigung doch von der Nato nach wie vor wie gleichberechtigte Gesprächspartner behandelt. Und dies ungeachtet der Tatsache, daß sowohl das Auswärtige Amt als auch die USA laut dem ARD-Politikmagazin „Report“ vom 28. Juni 1999 die UÇK als „terroristische Gruppe“ eingestuft haben, „die unter Einsatz terroristischer Mittel für die Schaffung eines Groß-Albaniens kämpft“.

Die Protegierung der UÇK durch die „Wertegemeinschaft“ prolongiert aber nicht nur den Terrorismus der UÇK. Viel schwerwiegender ist die Beförderung der inzwischen vielfach belegten Verknüpfung der UÇK mit der organisierten Kriminalität, was spürbare Konsequenzen auch für die innere Sicherheit vieler westeuropäischer Staaten hat. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang ein Bericht von Marko Milivojevic für Jane’s Intelligence Review von Anfang Februar 1995, in dem dieser feststellte, daß der von Albanern bewohnte Teil Mazedoniens einen nicht unerheblichen Beitrag zum schrumpfenden Bruttosozialprodukt des Landes beitrage. Dies habe zu einem erheblichen Anwachsen der albanerfeindlichen Ressentiments bei den slawischen Mazedoniern geführt, weil diese der Meinung seien, daß ein großer Teil des Reichtums der Albaner in Mazedonien aus Rauschgift- oder Waffengeschäfte stamme. Obwohl der Umfang der kriminellen Geschäfte der Albaner umstritten sei, so Milivojevic, befördere die steigende ökonomische Bedeutung der Albaner die Umwandlung des südlichen Balkans in einen Hort der Kriminalität. Früher verliefen die Transportwege für Heroin aus der Türkei oder dem Kaukasus durch das Jugoslawien. Heute führten die Transportwege über das Schwarze Meer, Bulgarien und Mazedonien in Richtung Westeuropa.

Die albanische Regierung sehe in der Unterstützung der UÇK durch die ausländische albanische Diaspora ein Mittel zur Umsetzung des strategischen Zieles der Schaffung eines Groß-Albaniens. Dieses Groß-Albanien diene, so Milivojevic, als Ersatz für den bisher nicht in Gang gekommenen ökonomischen und politischen Aufbaus Albaniens. Was dies konkret bedeutet, verdeutlichte die Balkanexpertin Marie-Janine Calic Ende Juni 1999 in einem Interview mit dem ARD-Politikmagazin „Report“: „Die Forderung nach einem Groß-Albanien ist meines Erachtens extrem gefährlich, denn sie könnte die gesamte politisch-territoriale Ordnung auf dem Balkan in Unruhe bringen, in erster Linie die Grenzen in Mazedonien und Albanien tangieren. Das wäre mit kriegerischen Verwicklungen verbunden, es wäre mit Flüchtlingsströmen verbunden.“ Calic, dies kann heute festgestellt werden, hat recht behalten.

Milivojevic wies in seinem Artikel weiter darauf hin, daß US-Beamte sowohl von dem Waffenhandel zugunsten der UÇK als auch von dem Heroinhandel wüßten. Sie ignorierten diese Fakten aber, weil das Heroin auf den europäischen und nicht auf den US-Markt geliefert werde. Der israelische Geheimdienst Mossad hingegen warnte bereits im Juni 1999 in einem Dossier für die israelische Regierung davor, daß die Untergrundarmee UÇK die Rolle der afghanischen Rebellen übernehmen könnte: „Genau wie die Mudschaheddin“, so steht in dem Bericht zu lesen, „handelt die UÇK mit Drogen, um ihr Waffenarsenal aufzustocken, sollte der Westen es irgendwann ablehnen, sie weiter zu unterstützen. Die Mudschaheddin taten exakt das gleiche, nachdem die Sowjets Afghanistan verlassen hatten.“

Gerade mit Blick auf die laufenden Ereignisse in Mazedonien kommt der Bericht zu einer aufschlußreichen Einschätzung der UÇK. Der Bericht prognostiziert, daß die UÇK eine ernste Bedrohung für den Frieden sei, weil sie über ein klares politisches Programm verfüge. In vielerlei Hinsicht sei sie eine Organisation, die es genieße, außerhalb der konventionellen Regeln des Krieges zu stehen. Der Bericht konstatiert weiter, daß die UÇK genau wie vordem die serbischen Paramilitärs im Kosovo Menschen mit Morddrohungen einschüchterten. Die laissez faire-Politik der „Wertegemeinschaft“, insbesondere aber der USA gegenüber der UÇK, verurteilt der Bericht mit ungewöhnlich scharfen Worten. Bei seinem Bestreben, Milosoevic loszuwerden, habe Präsident Clinton einer noch größeren Gefahr den Weg geebnet: nämlich einer immer mächtigeren UÇK-Armee.

Clinton hat in der Tat nicht davor zurückgeschreckt, die UÇK durch die CIA offen zu unterstützen, wie die englische Zeitung The Observer im März dieses Jahres feststellte. Nach Aussage eines Kfor-Bataillonskommandanten unterhielt die CIA im Kosovo mit der UÇK eine „Privatarmee“, die mit dazu beitragen sollte, den jugoslawischen Staatspräsidenten Milosevic zu Fall zu bringen. Jetzt, so der Kommandeur, wo Milosoevic entmachtet sei, scheine das US-Außenministerium unfähig, die „Armee von Bastarden“ wieder in ihre Schranken zu weisen.

Auch der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Militärische Abschirmdienst (MAD) sollen laut ARD-Magazin „Monitor“ und der Zeitung The European der UÇK bis hin zur Lieferung von Waffen und Ausrüstung sekundiert haben. Alles dies erklärt die halbherzig betriebene Demilitarisierung der UÇK im Kosovo. Die UÇK konnte aufgrund der laxen Entwaffnung durch die Kfor im Kosovo genug Waffen beiseite schaffen, um in aller Ruhe ihren nächsten Schritt vorzubereiten: die Destabilisierung Mazedoniens. 


 
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