© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/01 07. September 2001

 
Auf die Menge kommt es an
Hanfparade: Cannabis-Befürworter marschierten durch Berlin / Rot-Grün als Verräter beschimpft
Alexander Barti

Wieviele Aktivisten bzw. Konsumenten an Deutschlands größter Hanfparade teilnahmen, konnte man nicht mit endgültiger Sicherheit erfahren. Die Angaben schwanken zwischen drei- und dreißigtausend. Über zehntausend waren es bestimmt, die von 24 Paradewagen begleitet am vergangenen Samstag tanzend und kiffend durch die Berliner Straßen zogen.

Das Motto der diesjährigen Hanfparade lautete: „Kein Krieg gegen Pflanzen - für Vernunft und Freiheit!“ Konkretes Ziel der Cannabis-Lobbyisten ist „die vollständige Legalisierung von Hanf als Rohstoff, Medizin und als Genußmittel“. Ein „gesellschaftlich etabliertes“ Freizeitverhalten soll nicht mehr kriminalisiert werden. Dadurch hofft man Millionen von Steuergeldern einzusparen, die für die Verfolgung von Hanf-Delikten verschwendet werden. Die vorliegende Verfassungsbeschwerde soll vom Bundesverfassungsgericht angenommen werden, und die Praxis, den Führerschein bei nachgewiesenem Cannabis-Konsum zu entziehen, soll ebenfalls gestoppt werden. Die Aktivisten forderten außerdem, „Hanf als Pflanze der Agenda 21 durch Politik und Gesellschaft“ zu unterstützen.

Bei so viel Protest und Aktivismus mischte auch die etablierte Politik ordentlich mit. Die PDS war gleich mit zwei Wagen vertreten, immerhin noch einen Laster fuhren die Jungen Grünen. Die Jungen Liberalen hingegen waren nicht motorisiert, man trug ein Transparent (Aufschrift: „Junge Liberale“) und bemühte sich etwas gequält, dazuzugehören.

Sichtlich sauer war man auf Rot-Grün. Bei Ansprachen vor der Berliner SPD Zentrale und vor dem Auswärtigen Amt wurde der Regierung vorgeworfen, nach der Machtübernahme die Versprechen bezüglich der Cannabis-Legalisierung nicht eingelöst zu haben. „Wer hat uns verraten, die Sozialdemokraten, wer verrät uns schneller, die A.(lternative) L.(iste)er“, hieß es treffend auf einem Transparent.

Als der Zug, aus Kreuzberg kommend, sein Ziel vor dem Roten Rathaus erreicht hatte, kam es zum Eklat: Der Redner Tibor Harrach (B90/Die Grünen) wurde ausgebuht und mit Flaschen beworfen, als er versuchte, die Politik seiner Partei zu verkaufen. Leichter hatte es Freke Over (PDS), der, ohne Regierungsverantwortung im Rücken, unbeschwert die Legalisierung des Rauschmittels Hanf propagieren konnte. Weitere Ansprachen wechselten sich mit Musik-Bands ab, so daß die friedliche Veranstaltung, die um Mitternacht endete, eher einem Volksfest glich.

Ohne Zweifel birgt die Hanfpflanze ein gewaltiges Potential. Daß konservative Kreise immer nur das „Drogenproblem“ sehen, ist bedauerlich. Denn für Hanf gilt das gleiche wie für Wein oder Bier: Die Menge ist entscheidend!


 
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