© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/01 07. September 2001


Leserbriefe

Zum Themenschwerpunkt Rußlanddeutsche, JF 35/01

Unsägliche Hürde

Als Sohn einer rußlanddeutschen Mutter begrüße ich die bevorzugte Thematisierung des Problems der deutschen Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion.Es handelt sich ausnahmslos um wertvolle Beiträge. Sie beleuchten Sachverhalte, die man in anderen Medien vergeblich sucht. So zum Beispiel die Tatsache, daß es die Regierung Kohl war, die die unsägliche Hürde des Sprachtests für unsere deutschen Landsleute aus „Rußland“ rigoros einführte und ausbaute.

Einen Aspekt der für Deutschland beschämenden Situation möchte ich zusätzlich beleuchten: Die Rußlanddeutschen kann nämlich keiner als Schuldige an allen Untaten, für die man die Deutschen in der neueren Geschichte verantwortlich macht, benennen. Sie passen nicht ins Bild der „Wir wollen sein ein einig Volk von Büßern“-Ideologie. Deshalb sollen sie im Gegensatz zu anderen, die keine Deutschen sind, nicht zu uns kommen, sondern draußen bleiben, wo der Pfeffer wächst. 

Prof. Rolf Reuter, Berlin

 

 

Zu: „Hanseatische Wende“ von Claudia Hansen/Thorsten Thaler, JF 35/01

Reichlich Kompetenz

Alexander von Stahl sollte offensiv die Möglichkeit suchen, in Hamburg Justizsenator zu werden. Dabei ist es weder notwendig noch wünschenswert, daß er von der FDP zur Partei von Ronald Schill überwechselt. Zum einen wird die Schill-Partei bei einer Regierungsbeteiligung - wie selbst eingeräumt - in Personalnöte kommen, zum anderen besitzt von Stahl die erforderliche Kompetenz für das Amt des Justizsenators.

Ein weiterer Aspekt wäre ein Signal an rechtsliberale Kreise in der FDP. Nach dem Übertritt (Fehltritt?) führender nationalliberaler Exponenten zum inzwischen aufgelösten Bund freier Bürger wurde es still um den rechtsliberalen Flügel der Partei. Die Rückkehr Manfred Brunners zur FDP, die Gründung des bürgerlich-liberalen Rheinischen Kreises und andere nationalliberale Initiativen wie die Netzseite www.nlfdp.de  lassen inzwischen wieder hoffen.

Wenn die FDP das Projekt 18 ernsthaft angehen will, wird sie auf nationalliberale und bürgerlich-liberale Wähler nicht verzichten können. Herr von Stahl könnte mit einem entsprechenden Engagement hierfür ein Zeichen setzen.

Gerhard Meyer, Per e-Mail

 

 

Zu: „Pluralismus weggetreten!“ von Kurt Wolff, JF 35/01

Gravierende Änderung

Mit Interesse habe ich Ihren Artikel gelesen und möchte diese Ausführungen uneingeschränkt unterschreiben. Vor achtzehn Jahren feierte ich mein 40jähriges Fluglehrerjubiläum. Nach langem Einsatz als Schlachtflieger in Rußland war ich Fluglehrer an einer Schule der Wehrmacht. Außer Kameraden habe ich auch Repräsentanten des öffentlichen Lebens, unter anderem auch Persönlichkeiten der Bundeswehr, eingeladen. Von einem Major wurde ich gefragt: „Anzug Uniform oder Zivil“? „Selbstverständlich Uniform“, war meine Antwort.

Welche Änderung hat sich seit dieser Zeit vollzogen! Der heutige Soldat, Offizier, Unteroffizier oder einfache Soldat hat Ängste, sich in seiner Freizeit in Uniform zu zeigen. Selbst Vorgesetzte empfehlen ihren Soldaten, die Uniform in der Kaserne bzw. zu Hause zu lassen, um „draußen“ kein Ärgernis hervorzurufen.

Helmut Bernhardt, Meßkirch

 

 

Zu: „Mediencoup statt Frieden“ von Ivan Denes, JF 35/01

Selbstbestimmung verweigert

Der Artikel des sonst so objektiven Ivan Denes wird dem Konflikt im Nahen Osten nicht gerecht. Denes rechtfertigt die eindeutig völkerrechtswidrige Besatzungspolitik Israels mit dem Existenzrecht Israels. Daß jedoch die Ursache des Konflikts darin liegt, daß man seit Jahrzehnten den Palästinensern ihr Recht verweigert, genauso wie die Juden im Nahen Osten ihre Geschicke in einem eigenem Staat zu bestimmen, verschweigt Denes. Die Zustimmung zum israelisch-palästinensischen Friedensprozeß in Oslo 1993 dürfte für die Palästinenser schon bitter genug gewesen sein: Durch die faktische Anerkennung des Staates Israel verzichteten sie nämlich auf 78 Prozent des historischen Palästina. Im Gegenzug hofften sie nach dem Prinzip „Land gegen Frieden“ wenigstens auf den, wenn auch geographisch in Westjordanland und Gazastreifen zerrissenen verbliebenen 22 Prozent ihren eigenen Staat gründen zu können. Der fortwährende Ausbau jüdischer Siedlungen und das damit verbundene Vorrücken der israelischen Armee in den eigentlich den Palästinensern versprochenen Gebieten ließen jedoch den Palästinensern in den acht Jahren vom Beginn des Osloer Friedensprozesses bis zum Ausbruch der Al-Aksa-Intifada im September 2000 die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens im eigenen Staat zur Illusion werden. 

Arne Schimmer, Karben

 

 

Die Stimme Amerikas

Zur Nahost-Reise von Außenminister Fischer zitierte die FAZ unter dem Titel „Die Stimme Europas“ die angesehene französische Tageszeitung Le Figaro. Joschka Fischer, so war da sehr aufschlußreich nachzulesen, sei heute „die Stimme Europas in Jerusalem“. Und weiter: „Fischers Botschaft wird sich nicht wesentlich von der der Vereinigten Staaten unterscheiden.“

Quod erat demonstrandum. Deutlicher hätte man die Rolle Europas (und Deutschlands) nicht beschreiben können. Und weil „Uncle Sam“ - nicht zum ersten Mal - als ehrlicher Makler in diesem Konflikt praktisch ausfällt, weil aus palästinensischer Sicht - nicht zu Unrecht - zu sehr auf seiten Israels, muß zur Gesichtswahrung der USA wie Arafats der deutsche Michel als (auch in Israel nicht unwillkommener) Briefträger fungieren. Fischer weiß, warum er die ihm von gewissen Medienvertretern gern aufgedrängte Rolle des neutralen Vermittlers ständig herunterzuspielen bemüht ist.

Josef Müller, Calw

 

 

Zu: „Gewalt wird zur Seuche“ von Charles Brant, JF 35/01

In Frankreich herrscht Faustrecht

Wer in Frankreich lebt, kann die Aufzählungen von Charles Brant um etliche Kapitel ergänzen. Radikale Bauernkommandos (José Bové) bestimmen, wer was anbauen oder importieren darf, und kündigen ihre Strafaktionen offen in den Medien an, Jäger metzeln aus Protest geschützte Tierarten, Zeugen der Massaker, befragt, warum sie nicht die Polizei gerufen haben, geben offen zu, daß sie „ihr Haus nicht brennen“ sehen wollen (St. Nazaire). Firmenchefs werden von Angestellten tagelang festgesetzt, unzählige Gruppen errichten Straßensperren (barrages filtrants), um ihr Pensionsalter herabzusetzen, andere blockieren Landebahnen, Benzindepots oder drohen, „Frankreich auszuhungern“, Banküberfälle sind seit Jahresbeginn um 21 Prozent angestiegen: In Frankreich herrscht Faustrecht.

Wie weit das System bereits verrottet ist, zeigt eine Meldung von vorletzter Woche: Die Postdirektion gab zu, die seit Juli mehr als 30 bewaffneten Raubüberfälle auf Postämter absichtlich verheimlicht zu haben, 'um Panik zu vermeiden'. Unter den Augen der gleichgeschalteten Presse hat sich Frankreich von jeder Art Rechtsstaatlichkeit verabschiedet. Ein Schelm, wer an Deutschland dabei denkt.

Karin Randak, per E-Mail

 

 

Zu: „Gefangene der NS-Vergangenheit“ von Frank Philip, JF 34/01

Auf zum Kollektivekel!

Während der österreichische Philosoph Rudolf Burger gegen die „Gedenkpolitik“ polemisiert, bestehen politisch korrekte und gute Menschen darauf, niemals vergessen zu dürfen. Ihr missionarischer Impetus will und muß genährt werden. Nebst altbewährten Dauerbrennern erblicken dann hin und wieder auch kuriose Pflänzchen der Betroffenheit die Öffentlichkeit: „Es gibt zwar keine Kollektivschuld, wohl aber eine Kollektivscham“, schließlich gibt es ja auch die „kollektive Freude“ bei sportlichen Großereignissen. „Und was im Guten gilt, muß auch im Bösen gelten (Fridolin Koch in Die Furche 10/2001). Endlich füllen unsere Schuld, unsere Scham Stadien. Was kommt als nächstes? Der Kollektivekel?

Warum beharrt die „Holocaust-Industrie“ auf dieser reflexhaften Inszenierung von Gut und Böse? Wem ist damit gedient? Warum entläßt man nicht Generationen in ein eigenes Leben?

Walter Koren, Glanz

 

 

Zu: „Sorgen der Sorben“ von Matthias Bäkermann, JF 34/01

Selbstverschuldet

Diese Sorgen lassen sich verhältnismäßigleicht beheben. Die 5. Klasse wird in Crostwitz doch deswegen nicht eingerichtet, weil nicht genug Schüler nachrücken. Der Mangel an Nachwuchs ist ja auch das Problem der bei ihnen wohnenden Deutschen, das heißt die Schwierigkeiten sind hauptsächlich selbstverschuldet. 

Hans-Ludolf Süßenguth, Lütjenburg

 

Zu: „Publizistisches Niveau“ von Thorsten Thaler, JF 34/01

Bewußte Diffamierung

Wer das Niveau der JF als minderwertig bezeichnet, hat entweder noch nie Ihre Zeitschrift in Händen gehalten, oder er betreibt bewußte Diffamierung. Damit würde sich aber der Oberzensor des Deutschlandfunks auf das Niveau stalinistischer oder faschistischer Vorstellungen von Medienfreiheit begeben. Vielleicht - und das sei zu seinen Gunsten angenommen - ist er aber auch schlichtweg zu borniert, um Ihre Artikel zu verstehen.

Kurt und Trude Einstein, Albstadt

 

 

Zu: „’Frau, komm!‘ - eine Stadt wird vergewaltigt“ von Doris Neujahr, JF 31-32/01

Nie die Qualen vergessen

Den Einmarsch der siegreichen roten Armee habe ich in Zingst auf dem Darß erlebt. Noch heute werde ich nachts wach und meine die Schreie der vergewaltigten Frauen und Mädchen zu hören. Die Mutter eines bekannten Zahnarztes aus Stettin vergewaltigten sie auf dem Totenbett. Frauen und junge Mädchen wurden zur Reinigung der Kasernen in Zingst befohlen. Sie mußten nicht die Kasernen reinigen, sie wurden vergewaltigt. Können Sie sich die Gesichter dieser Frauen vorstellen? Diese unendliche Qual? An der Küste entlang lief ein Schiff in Zingst ein, beladen mit Schnaps, Wein und Sekt. Dr. Wanja Guter, ein Freund meines Mannes von der UFA und Flüchtling aus dem Baltikum nach 1918, versuchte alles, um das Schiff versenken zu lassen, bevor die Russen kamen. Aber es waren auch viele Flüchtlinge aus Ostpreußen und Pommern in Zingst. Sie hatten Strapazen hinter sich, die man heute auch nicht mehr nachvollziehen kann, und meinten, es könnten ja auch Lebensmittel in dem Schiff sein. Es war aber nicht so, und dann kamen sie mit Panjewagen, zu Fuß oder mit bereits gestohlenen Fahrrädern. Sie kamen wie die Bienen nach dem Honig. Frauen, die ihnen nicht paßten, wurden verschleppt.

Es wird Zeit, daß Aufklärung über das damalige Geschehen erfolgt. Es muß endlich die Wahrheit ans Licht kommen.

Gerda Wittuhn, Hamburg

 

 

Zu: „Bäuerliche Verweigerung“ von Kurt Possegger, JF 29/01

Gleiche Essensration

In Ihrem Artikel berichten Sie, daß sich der Deutsche Bauernverband mit einem Beitrag von 10,15 Millionen Mark an der Entschädigung für die Zwangsarbeiter beteiligt. Sie erwähnen die „heute üblichen Argumenten, die Zwangsarbeiter hätten keinen Lohn bekommen“. Aus meinem Erleben kann ich Ihnen bestätigen, daß ein „Fremdarbeiter“, so wie er damals genannt wurde, 26 Reichsmark netto monatlich bekam, bei voller Kost und Logis. Ich selbst verdiente als Jugendlicher mit vierzehn bis sechzehn Jahren unter denselben Bedingungen 10 Reichsmark. Diese Leute waren, wie auch ich, krankenversichert. Meine Arbeitskollegen waren zwei Polen, ein Russe und ein Niederländer. Das Essen und die Unterbringung waren genau dasselbe wie bei mir und auch bei der Familie des Eigentümers. Aus Gesprächen mit anderen weiß ich, daß es auch bei den anderen Bauern so war.

Diskriminiert wurden die Polen dadurch, daß sie, ähnlich wie die Juden, ein „gelbes P“ an ihren Anzügen tragen mussten. Das war 1943. Der Niederländer brauchte es nicht. Es ist auch so, daß die Polen eine „Frauenraucherkarte“ bekamen, der Niederländer jedoch für Männer. Männer bekamen doppelt soviel Rauchwaren wie Frauen. Bei dem Russen weiß ich es nicht. Er hat nie ein „R“ oder ein „S“ getragen. Mit fortschreitender Kriegszeit wurde darauf auch kein Wert mehr gelegt.

Hubert Hermsen, Greven

 

 

Zu: „Der Verfall der Massengesellschaft“ von Werner Olles, JF 27/01

Älteste konservative Institution

Stimmt diese Aussage von Werner Olles, die Achtundsechziger hätten „dem Konservatismus endgültig den Todesstoß versetzt“? Hat nicht gerade die nach Olles angeblich „sich zu Tode reformierende Kirche“, die älteste konservative Institution, einen, jedenfalls nach dem Urteil des letzten Vorsitzenden der KPdSU, Michail Gorbatschow, sehr bedeutenden Anteil am Zusammenbruch des Sowjetimperiums gehabt und damit ihre Lebendigkeit bewiesen? Und steht die gleiche Kirche nicht heute in der vordersten Front gegen den von Werner Olles so beklagten „Verfall der Bindungen in den Bereichen Religion, Nation, Heimat und Familie“?

Dr. Friedrich Romig, Hadersfeld


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