© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/01 14. September 2001

 
Kein Konsens mit Schily
Die Bundesregierung will Zuwanderung weder steuern noch begrenzen
Hans-Peter Uhl

Das Zuwanderungskonzept der Bundesregierung macht aus unserem Land ein Einwanderungsland. Deshalb muß es bei einem strikten Nein ohne Wenn und Aber bleiben. Der Entwurf von Innenminister Otto Schily (SPD) weist erhebliche Mängel auf: Die Frage nach den Kosten der Integration und ihrer Finanzierung bleibt ungeklärt, ebenso sind die in Sachen Asylmißbrauch und Familiennachzug vorgenommenen Veränderungen vollkommen unzureichend bzw. nicht akzeptabel.

Ergänzungsbedürftig sind in jedem Fall auch die Maßnahmen zur Beschleunigung von Asylverfahren, wie auch die Frage nach der institutionellen Zuständigkeit für die Bestimmung der jeweiligen Quote von Zuwanderungen. Und für die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist gewiß: Schröder hat nicht nur bereits sein anvisiertes Ziel in der Arbeitslosenpolitik verfehlt, sondern legt mit diesem Entwurf auch noch den Grundstein für eine weitere verheerende Entwicklung.

Es ist unverantwortlich, bei annähernd vier Millionen Arbeitslosen zusätzlich massenhaft ausländische Arbeitskräfte nach Deutschland zuwandern zu lassen. Bereits jetzt sind 475.000 Ausländer in Deutschland arbeitslos. Ausländer sind auch bei den Sozialhilfeempfängern überproportional vertreten: In München ist bereits jeder zweite Sozialhilfeempfänger ein Ausländer. Bundesweit erhalten 8,1 Prozent der Ausländer, dagegen nur 2,8 Prozent der Deutschen Sozialhilfe.

Nach Schilys Gesetzentwurf muß nicht einmal mehr vorab geprüft werden, ob deutsche Arbeitslose in die offenen Stellen zu vermitteln sind. Es genügt die Feststellung eines Verwaltungsausschusses im Arbeitsamt, daß es in dem betreffenden Berufszweig arbeitsmarktpolitisch verantwortbar ist, offene Stellen mit ausländischen Bewerbern zu besetzen. Meiner Ansicht nach sollte hier heimischen Arbeitskräften Vorrang vor Zuwanderern gegeben werden. Es sollte dabei jedem klar sein, daß es sich bei der aktuellen Diskussion nicht um ein Für und Wider zur Zuwanderung von Hochqualifizierten handelt.

Die Wirtschaft wünscht sich verständlicherweise billige und willige Arbeitskräfte aus dem Ausland. Sie strebt eine rein an ihrem Bedarf ausgerichtete Zuwanderungspolitik an. Zuwanderung heißt aber auch Integration. Schilys Entwurf enthält zur Frage der Integration nur rudimentäre Regelungen, die Kostenfrage bleibt gänzlich unangesprochen. Bei einer Zuwanderungsregelung kommen jedoch Kosten in Milliardenhöhe für die Integration auf uns zu.

Man wird sich deshalb fragen müssen, inwieweit die von der Arbeitsmigration profitierende Wirtschaft an den Folgekosten zu beteiligen ist. Monatelange Sprachkurse für mehrere Hunderttausende Zuwanderer jährlich müssen finanziert werden. So hat die Süssmuth-Kommission die Kosten schon bei 220.000 Kursteilnehmern auf jährlich 660 Millionen Mark geschätzt. Die Schätzungen der Volkshochschulen liegen mit 1,5 Milliarden Mark noch erheblich höher. Zuwanderung zum Nulltarif gibt es also nicht.

Unser Asylrecht wird nach wie vor von fast 100.000 Menschen pro Jahr mißbraucht. Schily bietet keinerlei Lösungsvorschläge an, wie dieser Asylmißbrauch reduziert und die Asylverfahren beschleunigt werden können. Es fehlt der Mut zu einschneidenden Maßnahmen, die erfolgversprechend sind und eine wirkungsvolle Eindämmung des Asylmißbrauchs bewirken. Der Entwurf der Bundesregierung beschränkt sich darauf, ungeklärte Härtefälle zugunsten der Betroffenen zu lösen. Er gewährt großzügig Aufenthaltsrechte aus humanitären Gründen und geht dabei noch weit über die bestehende Rechtslage hinaus. Der Erhalt von Daueraufenthaltsrechten wird wesentlich erleichtert, was sogar zur Folge hat, daß kriminelle Ausländer nicht mehr abgeschoben werden können. Offensichtlich ein Zugeständnis an die Grünen, die schon immer propagiert haben, daß auch kriminelle Ausländer unsere Mitbürger wären und deshalb nicht abgeschoben werden dürften.

Der Gesetzentwurf sieht zwar im Grundsatz eine Absenkung auf zwölf Jahre vor, doch faktisch wird das Nachzugsalter - über vielfältige Ausnahmevorschriften - von derzeit 16 auf 18 Jahre angehoben. Um die Integrationschancen nachgezogener Kinder wirklich zu fördern, müßte das Nachzugsalter auf sechs Jahre begrenzt werden. Im Alter von zwölf Jahren haben die meisten ausländischen Kinder den größten Teil ihrer Schulpflicht bereits im Ausland hinter sich gebracht und stehen dann in Deutschland vor großen Schwierigkeiten.

Es ist nicht vertretbar, wie von Schily geplant, die jeweilige Quote von Zuwanderungen allein zwischen dem Arbeits- und dem Innenministerium auszuhandeln. Denn es sind die Legislativorgane Bundestag und Bundesrat sowie die Kommunen, die die Hauptlast der Integration zu tragen haben. Sie sollen bei der Quotenfestlegung ganz ausgeschlossen werden.

Den Grünen ist der Entwurf des Innenministers schrumpfennoch nicht grün genug: Sie fordern mehr Zuwanderung. Das ist unverantwortlich.

 

Dr. Hans-Peter Uhl, 56, ist Rechtsanwalt und seit 1998 Bundestagsabgeordneter der CSU. Davor war er Stadtrat und Kreisverwaltungsreferent in München.


 
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