© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/01 14. September 2001

 
Rot-Grün ist sich nicht grün
Parteien: Regierungskoalition streitet weiter über Zuwanderungsgesetz / Union will abwarten
(JF)

Ein Koalitionsgespräch von SPD und Grünen zur Zuwanderungspolitik ist am Dienstag ohne Ergebnis geblieben. „Wir stehen noch ganz am Anfang“, sagte die Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller nach dem Treffen mit Vertretern der SPD und des Innenministeriums. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung soll es auch in der Bundesregierung massive Kritik an den Plänen von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) geben. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Schmidt, schloß nicht aus, daß in dieser Legislaturperiode eine Neuregelung der Zuwanderung nicht mehr gelingen könnte.

Müller sagte, für eine Zustimmung ihrer Partei müsse es noch erhebliche Bewegung geben. „Zum jetzigen Zeitpunkt weiß ich nicht, ob wir uns einigen werden“, sagte Müller.

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, regt sich auch in Ministerien Widerstand gegen den Entwurf Schilys. So kritisiere das Auswärtige Amt, daß sich Schily mit der Ablehnung von nichtstaatlicher Verfolgung als Asylgrund isoliere. Das Justizministerium moniere die verschärften Regelungen für den Kindernachzug als „nicht sachgerecht“. Justizministerium und Auswärtiges Amt bestätigten, daß es interne Stellungnahmen gebe. Die Sprecher wollten sich aber zu den Inhalten nicht äußern.

Unterdessen zeigte sich der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz trotz der Differenzen zwischen den Koalitionspartnern zuversichtlich, daß am 26. September ein von SPD und Grünen unterstützter Gesetzentwurf ins Kabinett eingebracht werden kann. Das Koalitionsgespräch sei in freundschaftlicher Atmosphäre verlaufen. An dem Treffen nahmen neben den Innenexperten der Koalitionsfraktionen und der Grünen-Fraktionschefin Müller auch Staatssekretäre aus dem Innenministerium teil.

Wiefelspütz sagte, es sei vor allem um die Frage gegangen, wie künftig mit Ausländern umgegangen werden soll, die derzeit noch in Deutschland geduldet werden. Innenminister Schily will die sogenannte Duldung abschaffen. Die Grünen fürchten, daß das für einen Teil der derzeit rund 250.000 Geduldeten zu erheblichen rechtlichen Nachteilen führen wird.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, sagte, bis zum 26. September werde versucht, eine Einigung in der Koalition zu erreichen. „Man muß zunächst selber zurechtkommen“, sagte Schmidt. Es habe keinen Sinn, zu stark auf das Verhalten der Union und mögliche Mehrheiten im Bundesrat zu schauen. Schmidt fügte hinzu, sollte die Union im Vermittlungsausschuß und im Bundesrat dem Koalitionsentwurf nicht zustimmen, schließe er nicht aus, daß es in dieser Legislaturperiode kein Zuwanderungsgesetz mehr geben werde.

Schily versucht auch mit Blick auf den Bundesrat, einen Konsens mit der Union zu erreichen. In der Länderkammer verfügen SPD und Grüne nicht über eine eigene Mehrheit. Am Montag hatte Schily mit seinen Länderkollegen eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Differenzen in der Zuwanderungspolitik ausräumen soll.

Der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach, sagte, SPD und Grüne seien wegen des Streits über die Zuwanderungspolitik nicht handlungsfähig. „Mit jedem Schritt, den der Bundesinnenminister jetzt auf die Grünen zugeht, um deren humanitäre Interessen zu berücksichtigen, entfernt er sich von der Politik der Union“, sagte Bosbach der Leipziger Volkszeitung. CDU und CSU würden erst wieder mit der Regierung verhandeln, wenn es einen zwischen Grünen und SPD abgestimmten Gesetzentwurf gebe.


 
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