© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/01 21. September 2001

 
Meldungen

Ohne Hungerplan vor vor Leningrad

MÜNCHEN. Die heftig umkämpfte „Einordnung der Wehrmacht in Krieg und Diktatur“ zeige, wie wenig die „Vermittlung eines differenzierten Geschichtsbildes in der Öffentlichkeit“ bisher gelungen sei. Der Militärhistoriker Johannes Hürter zielt mit dieser Kritik gegen „kühne gedanklichen Konstrukte“ aus dem Umfeld Jan Ph. Reemtsmas. So kann er anhand der Besatzungspolitik der 18. Armee vor Leningrad zeigen, wie unsinnig Christian Gerlachs These einer „einheitlichen Ausrichtung des deutschen Militärapparats auf einen gigantischen ’Hungerplan‘ gegen sowjetische Zivilisten und Kriegsgefangene“ sei (Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 3/01). Also könne vom „ Völkermordplan“ nicht die Rede sein, in den das „vorsätzliche Verhungernlassen“ eingebunden gewesen wäre. Nachweisen lasse sich nur ein - von Hürter „verbrecherisch“ genannter - „militärischer Utilitarismus“. Den Frontsoldaten sei dabei „der geringste Vorwurf zu machen.

 

Kronauer-Stiftung ehrt den Historiker Musial

SCHWEINFURT. Der polnisch-deutsche Historiker Bogdan Musial erhält am 27. Oktober in Schweinfurt den mit 20.000 Mark dotierten Preis der Erich und Erna Kronauer-Stiftung für sein Werk „’Konterrevolutionäre Elemente sind zu erschießen‘. Die Brutalisierung des deutsch-sowjetischen Krieges im Sommer 1941“ (siehe JF 38/00). Die 1999 gegründete Stiftung hat das Ziel, Werke jüngerer Historiker zu fördern, die das innere und äußere Verhältnis der beiden großen Totalitarismen des 20. Jahrhunderts auf wegweisende Art thematisieren. Den Festvortrag wird Hans-Adolf Jacobsen (Bonn) halten, der als Mitglied der „Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit“ (Warschau) mit der polnischen historischen Literatur vertraut ist.

 

Antike und Moderne: Verlust der Mitte

HEIDELBERG. Es gibt gute Gründe, an der Überlegenheitsgewißheit der Moderne gegenüber Antike und Mittelalter zu zweifeln - meint der Marburger Altphilologe Arbogast Schmitt (Gymnasium. Zeitschrift für Kultur der Antike und Humanistische Bildung, 4/01). Speise sich dieses überhebliche Superioritätsgefühl doch aus einem Wissenschaftsverständnis, das fachliche Spezialisierung und methodischen Pluralismus gegen das „scholastische Einheitssystem“ und den „naiven“ antiken Glauben an die „Einheit des Wissens“ ausspiele. Faktisch, so Arbogast Schmitt weiter, herrsche aber auch in postmodernen Zeiten eine fast mittelalterlich-hierarchische Zweiteilung in Geistes- und Naturwissenschaften. Diese „radikale Dichotomie“ könne wohl kaum auf eine Überlegenheit pochen, wenn sie gleichzeitig als „Verlust der Mitte“ beklagt werde. Die Antike habe hingegen ein Bewußtsein von der „differenzierten Einheit“ des Wissens gehabt, das der modernen „Dichotomie von Verstand und Sinnlichkeit“ abging.


 
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