© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001


Schill und die Folgen
Das Tor ist aufgestoßen
Dieter Stein

Der Erfolg der Schill-Partei läßt hoffen. Das deutsche Parteiensystem ist wieder in Bewegung geraten. Wer glaubte, es gäbe nach dem vorläufigen Untergang der Republikaner (Hamburg: 0,1 Prozent) in nächster Zeit keine neue Alternative von rechts, der sieht sich plötzlich eines besseren belehrt.

Gerade angesichts der Bedingungen, unter denen Schill in Hamburg startete, ist sein Erfolg besonders beeindruckend. Erst vor einem Jahr gründete er seine Partei. Sie trat trotz der jede politische Initiative lähmenden „Kampagne gegen Rechts“ an. Zudem beschritt Schill einen Boden, den vor ihm bereits Protestparteien wie die Statt-Partei, aber auch rechte Gruppierungen bis hin zur DVU beackert hatten.

Wer kurz vor der Wahl in Hamburg war, konnte anhand der Plakatierung zudem keine Übermacht der Schill-Partei ausmachen. Die DVU dominierte in berüchtigter Penetranz ganze Straßenzüge, die schillernde Partei „Pro-DM“ des Aktien-Gurus Bolko Hoffmann hatte ebenfalls mit modernen Plakaten gegen den Euro um Stimmen geworben. Auch die Republikaner waren präsent. Dennoch wurden sie restlos aufgerieben von dem Senkrechtstarter Schill. Denn er hat etwas, was allen anderen fehlte: Persönlichkeit.

Dennoch ist die Zukunft der Schill-Partei skeptisch zu sehen. Zu unklar bislang sein Profil über Law and Order hinaus. Zu groß ist die Versuchung der Zähmung durch die Regierungsbeteiligung. Zu unerfahren ist der kleine Stab der Partei, um nicht von den Gefahren der Zersplitterung durch Streit, Unterwanderung und etablierte Umarmung bedroht zu werden. Es wird sich zeigen müssen, ob sich zu Ronald Schill weitere Persönlichkeiten gesellen, die eine bundesweite Ausdehnung der Partei diskutabel werden lassen.

So oder so hat die Schill-Partei ein Tor aufgestoßen - selbst wenn sie selbst eine bundesweite Option aufgibt. Die CDU hat erstmals die Regierungsbeteiligung einer Partei zugelassen, die von der Öffentlichkeit rechts von der Union angesiedelt wird (es ist dabei unerheblich, ob Schill sich selbst als „nicht rechts“ einordnet). Mit Hamburg ist nämlich die isolationistische Logik durchbrochen worden, die CDU erhebe den Alleinvertretungsanspruch auf das demokratische rechte Lager in Deutschland. Die CDU muß endlich erzwungenermaßen eingestehen, daß sie künftig bürgerliche Mehrheiten gegen Rot-Grün nur mit einer neuen politischen Kraft gewinnen kann.

Es zeigt sich zudem, daß die Existenz einer tatsächlichen politischen Alternative von rechts Nichtwähler in erheblichem Umfang mobilisiert, die die CDU alleine schon lange nicht mehr an die Wahlurne locken kann. Parteiverdrossenheit und Wahlverweigerung hängen eben auch damit zusammen, daß bei vielen Wahlen die Bürger nicht mehr die Wahl zwischen tatsächlichen politischen Alternativen haben, sondern nur zwischen kaum noch unterscheidbaren etablierten Listen. Wollen wir es hoffen, daß Schill den Anstoß für einen politischen Frühling von rechts gibt und daß er sich nicht lediglich als Schwalbe entpuppt, die noch keinen Sommer bringt.


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