© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001

 
Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser
Österreich: Ein aktueller Bericht über die Umweltsituation beklagt vor allem die Luft- und Gewässerverschmutzung
Hans Kronberger

Nicht zuletzt aufgrund ihres überwiegend naturnahen Lebensraumes - 47 Prozent der Fläche Österreichs ist mit Wald bedeckt - spielt Umweltschutz in der Alpenrepublik seit jeher eine große Rolle. Mit dem sechsten Umweltkontrollbericht, der den Umweltzustand in Österreich für die Jahre 1998 bis 2000 auf rund 867 Seiten mit einem Gewicht von immerhin 2,4 Kilogramm durchleuchtet, werden jedoch auch im Musterland Österreich einige Lücken verfehlter bzw. nicht stattgefundener Umweltschutzmaßnahmen offensichtlich. So hat sich Österreichs Umweltsituation generell in den vergangenen Jahren nur wenig verbessert, in einigen Bereichen haben sogar merklich Verschlechterungen stattgefunden.

Am schlimmsten davon betroffen ist der Zustand der Luft: Die CO2-Emissionen sind von 1990 bis 1999 um ganze 5,9 Prozent gestiegen, jene aller sechs „Kyoto-Gase“ immerhin um 2,6 Prozent, womit die angepeilte dreizehnprozentige Reduktion bis zum Zeitraum 2008 bis 2012 wohl in weitere Ferne rückt. Tragisch vor allem für das Alpenland aus Umwelt-, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen, daß sich die vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen in einem Rückgang der Schneebedeckung sowie der Gletscher auswirken. Dazu kommt, daß der Umweltkontrollbericht zu den Luftschadstoffen feststellt: „Die derzeit in Österreich gemessenen Immissionsbelastungen durch Gesamtschwebestaub können erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung haben.“ Während also die Belastung an bodennahem Ozon nach wie vor hoch eingeschätzt wird, wird die Luft über Österreich dünner, denn die Ozonschicht über Österreich hat von 1993 bis 1999 um ganze acht Prozent abgenommen. Bleibt nur zu hoffen, daß internationale Abkommen wie das Montreal-Protokoll rechtzeitig greifen und die Ozonschicht sich bis Mitte des 21. Jahrhunderts tatsächlich wieder erholen kann.

Ein weiteres Sorgenkind auch im Zusammenhang mit der Luftverschmutzung ist der stark zunehmende Verkehr, der als Hauptverursacher von Umweltproblemen nicht nur in Österreich, sondern auch auf globaler Ebene gilt. Von 1987 bis 1998 stieg die Transportleistung des Straßengüterverkehrs um fast 120 Prozent und hat sich damit mehr als verdoppelt. Während die Gesamtemissionen der Pkws durch die Einführung des Katalysators gesenkt werden konnte, stiegen jene der schweren Nutzfahrzeuge von 1980 bis 1999 um fast 30 Prozent an. So sind die gesamten Kohlendioxidemissionen aus dem Verkehrssektor von 1980 bis 1999 von 13,1 Millionen Tonnen auf 20,2 Millionen Tonnen angestiegen, was vor allem in den engen Talkesseln der Alpenregion verheerende Auswirkungen zeigt. Darüber hinaus sind, laut einer von der WHO erstellten Studie, etwa 2.400 Todesfälle pro Jahr in Österreich auf Luftverschmutzung durch den Straßenverkehr zurückzuführen. Damit sterben mehr als doppelt so viele Personen an straßenverkehrsbedingter Luftverschmutzung wie bei Verkehrsunfällen.

Auch das begehrte „Wassereldorado“ Österreich, das immerhin 99 Prozent seines Trinkwassers aus klarem Grundwasser bezieht, ist nach dem neuesten Umweltkontrollbericht etwas getrübt. Hauptproblem ist nach wie vor die hauptsächlich von der Landwirtschaft verursachte Nitratbelastung. An 16 Prozent der Meßstellen wird der Nitratschwellenwert von 45 Miligramm pro Liter überschritten. Das vornehmlich für den Maisanbau verwendete und mittlerweile aufgrund seiner krebserregenden Wirkung verbotene Herbizid Atrazin konnte lokal noch immer in relativ hoher Konzentration an zehn Prozent der Meßstellen nachgewiesen werden, und zwar im Trinkwasser. Weisen die österreichischen Seen eine durchweg gute bis sehr gute Wasserqualität auf, so stellt sich die Gewässerstruktur der Flüsse weniger positiv dar. Untersuchungen an 56 großen Flüssen belegten, daß nur sechs Prozent der über 5.000 Kilometer analysierten Flußkilometer noch dem natürlichen Flußtyp entsprechen. Kleines Trostpflaster: Bei den Flüssen und Bächen Österreichs setzt sich der positive Trend zu einer besseren Wasserqualität fort. Doch auch der Boden kommt nicht ungeschoren davon: Schwefel- und Stickstoffverbindungen haben in vielen Wäldern Bodenversauerung und Eutrophierung zur Folge. Bis heute ist es nicht gelungen, die seit langem geforderte Reduktion der Belastungen der Wälder durch Luftschadstoffe mittels einer entsprechenden Gesetzgebung zu erwirken.

Auch die „Rote Liste“ der gefährdeten Pflanzen ist wieder länger geworden: Im Vergleich zu 1986 sind um 13 Prozent mehr Arten gefährdet. Dies obwohl rund ein Viertel der Fläche Österreichs unter Naturschutz steht. Die wirklich gute Nachricht gibt es beim Lärm zu hören: Die Lärmstörung konnte seit 1970 auf die Hälfte reduziert werden. Auch der Ausstoß an Stickstoffoxiden ist in den Vorjahren zumindest in etwa gleich geblieben, was schon als Erfolg gewertet werden kann.

Der Umweltkontrollbericht stellt ein gutes Instrument dazu dar, die Entwicklungen des Umweltbereiches zu dokumentieren und mögliche positive wie negative Trends aufzudecken. Doch Umwelt braucht nicht nur Kontrolle, sondern vor allem ein effizientes und nachhaltiges Handeln. „Wir haben noch keine Zeit für den Umweltschutz gehabt“, antwortete ein ÖVP-Politiker einem Journalisten nach den ersten 100 Tagen Regierungsarbeit. Bleibt nur die Frage, wieviel Zeit uns überhaupt noch bleibt, um die Versäumnisse der bisherigen Umweltpolitik jemals aufzuholen.

 

Dr. Hans Kronberger, 50, Journalist, sitzt seit 1996 für die FPÖ im EU-Parlament. Er ist Mitglied im Ausschuß für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz. 1998 erschien sein Buch „Blut für Öl - Der Kampf um die Ressourcen”. Internet: www.kronberger.net  Der 6. Umweltkontrollbericht kann beim Umweltbundesamt, Spittelauer Lände 5, A-1090 Wien, für 16 Euro bestellt werden.


 
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