© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001

 
Zeitschriftenkritik: Gleichheit
Trotzige Trotzkisten
Werner Olles

Herausgeber der zweimonatlich erscheinenden Gleichheit - Zeitschrift für sozialistische Politik und Kultur ist die trotzkistisch orientierte „Partei für soziale Gleichheit“ mit Sitz in Berlin, die der sogenannten „Vierten Internationale“ angehört. Die Zeitschrift verbreitet die Stellungnahmen des „Internationalen Komitees“ der (trotzkistischen) „Vierten Internationale“ zu entscheidenden politischen Entwicklungen und daneben Nachrichten aus der Arbeitswelt sowie Besprechungen neuer Bücher, Filme und Ausstellungen.

Die Gleichheit thematisiert jedoch auch Fragen der Geschichte und Philosophie. Besonderer Wert wird dabei auf die Aufarbeitung des Stalinismus und den Untergang der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten gelegt. Die über siebzigjährige Tradition der „Linken Opposition“ und der „Vierten Internationale“ gegen den sowjetischen „Staatssozialismus“ und seine Bürokratisierung und vor allem gegen Stalins Theorie des „Sozialismus in einem Land“ stellt nicht nur die politisch-historische Grundlage des Trotzkismus dar, sondern soll - analog der Theorie Leo Trotzkis - auch aufzeigen, daß im Zeitalter der weltweiten Ausdehnung des Kapitals und der Märkte „jede national beschränkte Herangehensweise zum Scheitern verurteilt ist“. So ist auch für die Gleichheit der „Aufbau des Sozialismus von der weiteren Entwicklung der Weltrevolution abhängig und im nationalen Rahmen unmöglich“.

Da es aber mit der „Weltrevolution“ im Augenblick nicht so richtig vorangeht - es sei denn, man würde zynischerweise die Globalisierung als solche bezeichnen -, müssen sich auch gestandene Revolutionäre vorerst auf das Machbare konzentrierten. Also schlägt man sich auf die Seite, wo es immer noch am ungefährlichsten ist und wofür selbst die bizarrsten und extremsten Links-Revoluzzer von der politischen Neuen Klasse gehätschelt werden: Man wettert couragiert gegen den „reaktionären Nationalismus und seine verheerenden Konsequenzen“ und hängt der 68er-„Protestbewegung“ nachträglich noch einen Heiligenschein über ihr welkes Haupt. Dazu paßt hervorragend ein miserabel recherchierter Artikel über „Berlusconi und die europäische Rechte“, nach dessen Lektüre sich der Eindruck aufdrängt, daß bei einer gewissen Linken sich Dummheit und Bosheit offenbar von Geschlecht zu Geschlecht zu vererben.

Ganz und gar unappetitlich wird es dann, wenn in einem mit „Von Tätern und Opfern“ betitelten Text Verständnis für Kinderschänder gefordert wird, die angeblich nur das „individuell-subjektive Produkt einer unbarmherzigen und brutalen Gesellschaft, die ihnen Liebe, Wärme und Anerkennung verwehrt“ sind. Nach solchen trotzkistischen Hobby-Psychologismen kann auch ein recht ordentlich recherchierter Text über Timothy McVeigh, den inzwischen hingerichteten Bombenleger von Oklahoma City, das Blatt nicht mehr retten. Die notorische Erfolglosigkeit des Trotzkismus ist mit der Herausgabe solcher Publikationen noch auf lange Zeit gewährleistet.

Anschrift: Gleichheit. Postfach 04 01 44, 10061 Berlin. Das Einzelheft kostet 5 Mark, das Jahresabo 35 Mark


 
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