© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001

 
Keine Gesellschaftskritik ohne Faschismustheorie
Alexander Ruoff über die „Nationalgeschichte der JUNGEN FREIHEIT“
Werner Olles

Alexander Ruoff von der „Jourfix Initiative Berlin“ gehört zu jenen Historikern, die der Auffassung sind, daß es nach Auschwitz keine Kritik der Gesellschaft ohne eine Theorie des Faschismus geben kann. Statt daß diese kritische Gesellschaftstheorie ihre eigenen Bedingungen zu reflektieren beginnt, verlegt sie sich stärker denn je auf Beschimpfungen des politischen Gegners. Ruoffs Buch über die „Nationalgeschichte der JUNGEN FREIHEIT“ gehört diesem Genre an. Abgesehen davon besteht ja die gesamte Antifa-Literatur über die „Neue Rechte“ aus ungefähr 150 Zitaten, die endlos hin- und hergeschoben werden. Ruoffs Werk ist dabei intellektuell so dürftig, daß selbst gestandene Antifas nur wenig Freude daran haben dürften.

Es geht, wie der zweite Teil des Untertitels zeigt, um „Auschwitz im Diskurs des völkischen Nationalismus“. Als Quellen liegen die Artikel der JF zugrunde, die in der ersten Hälfte des Jahres 1995 im weitesten Sinne zu den Themen Nation und Geschichte veröffentlicht wurden. Ruoff bezeichnet die JF als „ein Sprachrohr einer national orientierten ’Neuen Rechten‘“. Während die extreme Rechte Auschwitz schlichtweg leugne und den Nationalsozialismus positiv bewerte, könne die „Neue Rechte“, wolle sie einigen Einfluß erreichen, „Auschwitz nicht grundweg bestreiten“. In diesem Zusammenhang würde der Holocaust „nicht rundweg geleugnet, sondern seine Bedeutung relativiert“. „Revisionismus light“ unterstellt Ruoff der Zeitung: „Die JUNGE FREIHEIT würde liebend gerne gänzlich von Auschwitz schweigen“. Da dies unmöglich sei, soll wenigstens „die Erinnerung an Auschwitz der Nation nicht im Wege stehen“. Um unter den gegebenen „hegemoniestrategischen Prämissen“ in den gesellschaftlichen Diskurs einzuwirken, könne „die Beschäftigung mit Auschwitz systematisch nicht unter inhaltlichen, sondern nur unter strategischen Gesichtpunkten erfolgen. Salopp gesagt: Auschwitz selbst ist der JUNGEN FREIHEIT egal“.Abgesehen davon, daß Ruoff sich seine eigenen Begriffe schafft, wenn er zum Beispiel von einem „etatistischen, völkischen Nationalismus“ spricht, entlädt er in diesem wahnhaften Refrain flüchtiger Eintragungen ohne Not sein gesamtes Ressentiment, was einem Historiker natürlich nicht passieren darf.

Wenn immer mehr führende Historiker inzwischen nicht mehr geneigt sind, Geschichte als Instrument der Umerziehung zu mißbrauchen - Ruoff selbst nennt hier Ernst Nolte, Andreas Hillgruber u. a. -, muß dies die Wut des Autors natürlich anfachen. Daher ignoriert er auch, was Menschen Menschen antun. Sonst müßte er ja zur Kenntnis nehmen, daß nahezu jede Woche eine neue Gruppe den Anspruch einzigartigen historischen Leidens erhebt. So bildet etwa im „Museum der Toleranz“ in Los Angeles der Holocaust eine Reihe mit dem Schicksal amerikanischer Indianer oder schwarzer Sklaven.

Was Ruoff nicht zugeben darf, ist, daß Massenmord in der Weltgeschichte gar kein so seltenes politisches Phänomen ist. Was im Namen von Herrschern und Völkern, im Namen von Freiheit und Demokratie, im Namen von Gerechtigkeit und Brüderlichkeit an Verbrechen gegen die Menschlichkeit, an Verfolgungen, Vertreibungen, Ausrottungen begangen wurde und nach wie vor wird, darüber will Ruoff nicht reflektieren. So bleibt sein Zugang einseitig und zudem moralisierend.

„Daß das Sündenbewußtsein tot ist, das ist das große Unglück“, schrieb der jüdische Religionsphilosoph Jacob Taubes. Das Erinnern als innerweltliche Erlösung, das ganz auf eine im Vergangenen liegende Wahrheit zielt, ist als religiöses Sinnversprechen spätestens mit dem Verschwinden des Christentums zur Wahrheitssuche ohne jeglichen Erlösungsbedarf verkommen. Daß Ruoff dies nicht versteht, ist schade, aber nicht zu ändern. Man wäre gerne empört bei der Lektüre dieses Buches, ist aber nicht einmal bestürzt.

Tatsächlich gibt es zum Thema „Neue Rechte“ inzwischen eine wissenschaftliche Literatur von Rang. Ruoff erwähnt diese sogar, ignoriert sie inhaltlich jedoch souverän. Zwar muß ein Historiker nicht unbedingt geistig in der Lage sein, die Frage der Dialektik von Schuld und Unschuld philosophisch zu reflektieren, aber Jacob Burckhardts Urteil über die Welt- und Menschheitsgeschichte sollte er zumindest kennen: „Alle politische Größe ist mit furchtbarsten Verbrechen erkauft worden. Der Friede ist nur eine Atempause bis zum nächstenVölkermorden.“

 

Alexander Ruoff: Verbiegen, Verdrängen, Beschweigen. Die Nationalgeschichte der JUNGEN FREIHEIT. Auschwitz im Diskurs des völkischen Nationalismus. Unrast-Verlag, Münster 2001, 204 Seiten, 26,80 Mark


 
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