© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/01 28. September 2001


Auf der Suche nach dem Heiligen in der Kunst
Berlin: Am 26. September wäre der Kunsthistoriker Peter Paul Ludwig Ferdinand Metz 100 Jahre alt geworden
Johannes Laas

Für ihn war ein Museum „eine Stätte, in der sich Menschengeist, Natur und Geschichte im lebendigen Kunstwerk manifestieren“. Und die Skulptur galt ihm als Voraussetzung für alles übrige menschliche Schaffen. Wie kein Zweiter sah Peter Metz in seiner Ausstellungstätigkeit gleichsam einen originären künstlerischen Akt, eine Komposition mit Körper und Raum, mit Licht und Farbe: der Museumsmann als Künstler.

Als der gebürtige Mainzer 1955 zum ersten Direktor der Skulpturenabteilung der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz nach West-Berlin berufen wurde, hatte er sich mit bedeutenden Ausstellungen bereits einen Namen gemacht. Zahlreiche Veröffentlichungen und Vortragsreihen trugen zu seinem Ansehen weit über Deutschland hinaus bei.

Am 26. September 1901 geboren, zog es den jungen Kunsthistoriker nach Stationen in Mainz und Darmstadt bald schon nach Berlin. Die preußische Metropole verstand er immer als Symbol. „Durch die Berliner Museen“, sagte er, „nimmt Berlin - als Symbol! - teil an der Geschichte der ganzen Welt, aller ihrer Völker und ganz besonders auch an der großen Tradition des Abendlandes und hier wieder an unserer eigenen, deutschen Tradition - bis zurück in die Antike. Wenn man an dieser Tradition lebendigen, wissenden, verstehenden und umfassenden Anteil haben wollte - als deutscher Provinzler -, dann mußte man eben nach Berlin.“

1930 assistierte er Ernst Friedrich Bange bei der Einrichtung des „Deutschen Museums“, das Vorbild auch für die Sammlungen in Paris, London und New York werden sollte. Nach einem Volontariat ging er jedoch zunächst nach Hanau, wo ihn die braunen Machthaber 1935 nach zwei Jahren „aus politischen Gründen“ aus dem Dienst vertrieben. So kam er - zunächst als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ - wieder zurück nach Berlin und blieb den Staatlichen Museen bis zu seiner Pensionierung treu verbunden. 1939, während er gerade an einem Werk „Zehn deutsche Dome“ schrieb, wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. Durch „Gottes Hilfe“, wie er in einem Brief 1969 betonte, überstand er die Zeit unverletzt. 1945 assistierte er Ludwig Justi bei der Ausstellung „Wiedersehen mit Museumsgut“ im Berliner Stadtschloß. Im gleichen Jahr habilitierte er sich an der Humboldt-Universität. Da er sich weigerte, in seine Vorträge Politisches einzubeziehen, stand er schon bald auf der „schwarzen Liste“ nun auch der roten Machthaber. Wochenlang schlief er nur noch angezogen auf seinem Bett, da er ständig damit rechnete, „abgeholt“ zu werden. Treue Studenten schützen ihn abends auf der Straße durch die Bildung eines menschlichen Schutzschildes gegen etwaige Übergriffe der Staatssicherheit. Kurz nach der barbarischen Sprengung des Berliner Stadtschlosses 1950, für dessen Erhalt sich Metz in Wort und Schrift vehement eingesetzt hatte, und wenige Monate nach seiner Ernennung zum Direktor der Skulpturenabteilung in Ost-Berlin siedelte er schließlich in den sicheren Westen über.

Als Konservator im Germanischen National-Museum zu Nürnberg entfaltete er nun eine rege Tätigkeit. Vor allem betreute er die Erwerbung des großartigen frühmittelalterlichen (um 990) „Goldenen Evangelienbuchs von Echternach“, leitete das Augustinus-Seminar und lehrte nebenher an der Universität Erlangen. Seine Voträge, zum Beispiel über die „Idee und Erscheinungsform des Kunstwerkes“ bei den Salzburger Hochschulwochen, wurden international beachtet. Neu an Metz’ Methode war die Einbettung der Kunstgeschichte in eine historisch-theologische Gesamtschau von überwältigender Eindringlichkeit und Klarheit.

Hans Sedlmayr, der Autor des berühmten Buches „Verlust der Mitte“, sah sich in Metz’ Besprechung seines neuen Buches „Die Entstehung der Kathedrale“ in besonderer Weise verstanden. Er schrieb ihm am 6. Juni 1951: „Ich verdanke Ihrer Besprechung Förderung meiner Erkenntnis. Ihre Methode ist kristallklar und unerschütterlich - durch Sie kommen Begriffe in Ordnung, die bei mir noch nicht ganz fest waren, obwohl ich meine, die Sache selbst schon gesehen zu haben. Eigentlich müßte ich nun darüber betrübt sein, daß nun manches, was blutigen Schweiß gekostet hat, kaum geboren, schon veraltet ist. Aber glauben Sie mir, ich freue mich aufrichtig darüber. Meine Position habe ich seit jeher als die eines Vorläufers empfunden“. Und handschriftlich fügte Sedlmayr hinzu: „Eine neue Kunstgeschichte ist im Kommen.“

Die Frage nach dem Kunstwerk verstand Metz immer als die Frage nach dem Wesen des Bildes als Symbol. Denn „das Kunstwerk als Bild und Schauspiel ist echtes Kunstwerk nur insofern, als ein wesenhaft Wirklicheres als es selbst in ihm und durch es erfahren werden kann“.

Kunstgeschichte als Heilsgeschichte - diesem Prinzip war unter seiner Ägide auch das neue Skulpturenmuseum in West-Berlin verpflichtet. Doch als Metz zu dessen erstem Leiter nach dem Krieg berufen wurde, galt es zunächst, die Exponate wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seine Ausstellungen waren immer auch von so eminent theologischem Charakter, daß er dafür von Papst Johannes XXIII. mit dem Gregoriusorden ausgezeichnet wurde.

Sein Lebenswerk krönte schließlich die Neueröffnung des Skulpturenmuseums in Berlin-Dahlem am 16. April 1966. Metz hatte ein idealtypisches Skulpturenmuseum mit modernsten Aufstellungsprinzipien geschaffen. Das Neue daran war die Inszenierung jedes einzelnen Kunstwerks in bestimmten Lichtverhältnissen, mit farbig getönten Stellwänden, Podesten, Nischen und Stufen, die von Fachleuten des In- und Auslandes als revolutionär gewertet wurde. Diese Inszenierung beruhte auf den Prinzipien Farbe, Raum und Tageslicht. Durch Hallen mit seitlich offenen Glaswänden, eine prononcierte Farbigkeit und eine räumliche Beziehung der Plastiken untereinander bis hin zum kleinsten Gegenstand in der Vitrine entstand, wie ein Rezensent äußerte, ein „lebendiger, geistig-seelischer Raum mit Kunstwerken, in dem das ganze in ihnen anschaubar wird“.

Bald nach der Wiedereröffnung der Skulpturenabteilung mußte er altersbedingt seinen Abschied nehmen, obwohl er sich nicht in den Ruhestand versetzen lassen wollte. In dem dringenden Wunsch, seinem Nachfolger die Skulpturenabteilung wenigstens in einem geordneten Zustand zu übergeben, bat er um eine Verlängerung seiner Amtszeit. Statt dessen schlug man ihn für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse vor, dessen Annahme er jedoch von der Verlängerung seines Vertrages abhängig gemacht hatte. Diese wurde ihm nicht gewährt. In seinem Vortrag „Vom Geiste der mittelalterlichen Kunst“ (1961) bekannte Metz: „Das Mittelalter ist nicht überwunden, jedenfalls für den Christen nicht, der erkannt hat, daß die Entwicklung der Naturwissenschaften und die Verrationalisierung des Geistes keinen Fortschritt bedeuten gegenüber der Bildschau, die der Schöpfung Gottes zugeordnet ist, wie sie als Bild geschaffen wurde und die Bild bleibt, auch wenn ganze Zeitalter dafür blind geworden sind.“ Ein derart vom christlichen Denken und Verstehen durchdrungener Wissenschaftler muß sich notwendigerweise viele Feinde gemacht haben. So ist es nicht verwunderlich, daß Metz’ Nachfolger „von Null“ anfangen wollte. Seine weltweit beachteten Aufstellungsprinzipien wurden in der Folgezeit beträchtlich verändert.

In den Jahren bis zu seinem Tod blieb der bekennende Katholik und passionierte Pfeifenraucher unentwegt tätig, zog sich aber mehr und mehr vom Wissenschaftsbetrieb zurück. Als er am 15. Mai 1985 nach kurzer, aber schwerer Krankheit in Berlin starb, verlor die Museumswelt einen der seinerzeit profiliertesten und bekanntesten deutschen Kunsthistoriker.


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