© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/01 12. Oktober 2001

 
Die Käfig-Quälerei wird weitergehen
Tierschutz: Nächste Woche stimmt der Bundesrat über das Ende der Legehennen-Batterien ab
Edgar Guhde

Ein Verordnungsentwurf des Verbraucherministeriums, der vorsieht, nach einer Übergangsfrist ab Januar 2007 die bisherige Käfighaltung der Hennen (450 Quadratzentimeter je Huhn) zugunsten von Freiland-, Boden- und Volierenhaltung abzuschaffen und die „ausgestalteten Käfige“ nur noch bis Dezember 2011 zuzulassen, liegt dem Bundesrat vor, der über diese Verordnung am 19. Oktober 2001 endgültig befinden soll.

Obwohl eine Umstellung der Haltungssysteme angesichts der langen Übergangsfristen auch aus wirtschaftlicher Sicht möglich ist (so eine Studie der Uni Kassel) und flankierende Maßnahmen wie Investitions- und Absatzförderung für Öko-Eier vorgesehen sind, die den Verbrauchern eine bewußte Kaufentscheidung für Eier aus den artgerechteren Haltungsarten ermöglichen, wollen mehrere Bundesländer dem Künast-Entwurf nicht zustimmen. Obwohl die Übergangsfrist letzte Woche auf 2009 verlängert wurde, wollen nur Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein die Hennenquälerei beenden. Die erforderlichen 35 Stimmen für eine einfache Mehrheit scheint so gesichert. Das Schicksal von jährlich 40 Millionen Hennen könnte sich verbessern.

Der Druck der Agrarlobby war aber derart stark, daß das grüne Künast-Ministerium einen Positionswechsel vornehmen mußte: Dessen Staatssekretär Alexander Müller sprach sich am 29. August für ein Zulassungsverfahren für serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen aus, „die nicht in allen Punkten der von unserem Ministerium erarbeiteten Verordnung entsprechen“ (die allein die Freiland-, Boden- und Volierenhaltung vorsieht). Hier wird also ganz unverblümt aus dem Ministerium selbst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Hennenhaltung sabotiert, obwohl vier von fünf Bundesbürgern laut einer Emnid-Umfrage die endgültige Abschaffung aller Käfigsysteme und die ausschließliche Haltung der Hennen in Boden- und Freilandhaltung oder Volieren befürworten. Besonders Niedersachsen, wo mehr als 14 Millionen Legehennen gehalten werden, blieb hart. Den Vorgaben der Agrarlobby folgend, soll Deutschland in der EU im Tierschutz keine Vorreiterrolle einnehmen.

Diese neuerliche Blockadepolitik zugunsten der Tierausbeutung reiht sich ein in die Genehmigungswelle für neue Mastanlagen für Zehntausende von Puten und Enten vor allem in Sachsen-Anhalt (der Enten- und Putenverbrauch stieg ohnehin schon im vergangenen Jahr um zehn Prozent auf 71.000 Tonnen). Damit wird in diesem Land auf 80 Hektar eine der größten Entenmastanlagen Europas errichtet, wie üblich ohne Tageslicht und Bademöglichkeit für diese Wasservögel. Für die Enten- und Putenmast gibt es noch nicht einmal eine Haltungsverordnung. Nach einer Schamfrist soll sogar wieder Tiermehl verfüttert werden dürfen - nicht gar soviel wie früher und nicht an Kühe, aber an Schweine und Hühner, (noch) nicht in Deutschland, aber ansonsten in der EU. Statt wirklicher Agrarwende die Rückkehr zum alten System der Vorherrschaft der Verwertungsinteressen der Futtermittelindustrie und Fleischfabrikanten. Die angekündigte Wende in der Agrarpolitik war ohnehin nur durch Rücksicht auf die Gesundheit der Verbraucher veranlaßt. Während gesundheitliche Risiken, Übertragungswege von BSE, mögliche Ursachen der Krankheit und wirtschaftliche Folgen im Mittelpunkt standen, wurde der ethische Hintergrund der Art und Weise, wie wir Tiere behandeln, allenfalls am Rande erörtert.

Das aber wäre der Kern der Agrarwende: die grundlegende Neubestimmung des Verhältnisses des Menschen zu den „Nutztieren“. Doch neuerdings sieht sich der Tierschutz alarmiert und genötigt, sich verstärkt mit den Schlachthäusern zu befassen, angesichts der sich häufenden Meldungen und Dokumentationen aus Schlachtbetrieben der EU, hinter deren Mauern sich derartig grauenhafte Szenen ereignen, daß schon die Filmaufnahmen als Zumutung empfunden werden. „Diese erheblich tierschutzwidrigen Zustände wurden auf eine unzureichende Betäubungswirkung des Bolzenschußverfahrens zurückgeführt, die nach dem Verbot des Rückenmarkzerstörers nunmehr offen zum Tragen kam.“ (Schreiben des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin vom 1.Juni 2001) Es wurden Schlachtsituationen dokumentiert, in denen die Tiere nach dem Bolzenschuß bei vollem Bewußtsein den weiteren Schlachtvorgang erleben. Schon die Betäubungen weisen hohe Fehlerquoten auf. Mißstände auch bei der Kohlendioxid- und Elektrobetäubung von Schlachtschweinen wurden von der Bundesanstalt für Fleischforschung sowie Veterinären bestätigt. Die Staatsanwaltschaften sind an den Tierquälereien in den Schlachthöfen selten wirklich interessiert und unterlassen die Strafverfolgung.


 
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