© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/01 12. Oktober 2001

 
Dschihad gegen McWorld
Alain de Benoist antwortet auf die Globalisierung
Michael Wiesberg

Schöne vernetzte Welt“ hat Alain de Benoist, der führende Theore tiker der französischen Neuen Rechten, sein Kompilat aus zwölf Aufsätzen und Vorträgen genannt. Es ist bei weitem nicht nur eine „Antwort auf die Globalisierung“, die Benoist hier vorgelegt hat. Es handelt sich vielmehr um eine Art Summe seines Denkens. Daß diese bis jetzt zumeist nur auf französisch erschienenen Texte nun auch dem deutschen Leser zugänglich gemacht werden, ist insbesondere dem Übersetzer Claude Michel zu verdanken. Ihm ist es gelungen,Benoists eleganten Stil nachzuvollziehen.

Auch diesmal liefert Benoist eine Reihe origineller wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Analysen und Denkanstöße, die auch für die konservative Diskussion in Deutschland von zentraler Bedeutung sein könnten. Die Betonung liegt hier auf „könnten“, denn das Werk von Benoist ist bisher in der politischen Auseinandersetzung von rechter oder konservativer Seite nur unzureichend fruchtbar gemacht worden. Es steht nach wie vor eine angemessene Rezeption seiner Thesen zur „kollektiven Identität“ bzw. zur Einbindung des Kommunitarismus aus. Auch seine Vorstellungen zur Ökologie oder zur „Frauenfrage“ sind geeignet, den ins Stocken geratenen rechten Diskurs zu beleben.

Die Palette der Themen dieser Sammlung reicht von den ökonomischen Auswirkungen der Globalisierung über die Rolle der Medien, über die Auflösung der sozialen Bindung bis hin zum Reichsgedanken, den Benoist für die „künftige Struktur Europas“ wiederzubeleben versucht.

Die Globalisierung erzeuge eine „Umgestaltung des Erdraums, die in erster Linie durch die Entterritorialisierung des Kapitals gekennzeichnet ist. Man wechselt von einem ’Raum von Orten‘ zu einem ’Raum von Bewegungen‘ über, also vom Territorium zum Netz.“ Dieses Netz fügt sich in den Welthandel ein, indem es sich von jeglichem staatspolitischen Zwang befreit. Die Konsequenz: „Zum ersten Mal in der Geschichte gehen der Wirtschaftsraum und der Raum des Politischen auseinander.“ Darin liegt nach Benoist „der tiefe Sinn der Globalisierung“.

Wer die Taktzahl der Globalisierung bestimmt, daran läßt Benoist keinen Zweifel aufkommen: die USA. Dies geschieht nicht nur ökonomisch, sondern auch und vor allem kulturell. Die starken Vereinheitlichungstendenzen, die inzwischen überall auf dem Globus spürbar sind, brachte der französische Publizist Benjamin Barber auf die Formel: „Konfrontation zwischen ’Dschihad‘ und ’McWorld‘“. Diese „McWorld“-Kultur ist durch Musiksender, Hollywood-Filme, Disney-Parks, Computerprogramme und -spiele usw. gekennzeichnet. Sie umfaßt Begriffe und Bilder ebenso wie Gegenstände. Transmissionsriemen der Bewohner der „McWorld“-Kultur ist das Internet, das als neue Lebensweise das „elektronische Nomadentum“ hervorgebracht hat. Die Macht des Internet, so der kanadische Medientheoretiker Nelson Thall, bestehe „letzten Endes darin, daß es der ganzen Welt ermöglicht, wie Nordamerikaner zu denken und zu schreiben“.

Daß dieser globale Konformitätsdruck aufgrund des politisch-kulturellen Hegemonieanspruches der USA Widerstand hervorbringt, wird jeden Tag offensichtlicher. Der zusammenfassende Begriff „Dschihad“ bezeichnet ein aggressives ethnisches oder religiöses Sich-Behaupten, das hier und da Bürgerkriege und Stammeskonflikte auslöst. Was dies für Auswirkungen auf den klassischen Kriegsbegriff hat, ist Gegenstand einer eigenen Erörterung, in der sich Benoist insbesondere mit den Thesen des israelischen Militärtheoretikers Martin van Creveld auseinandersetzt.

In diesem Zusammenhang instruktiv ist Benoists Abhandlung „Amerikas Vergessen!“, die sich mit den puritanisch-messianistischen Wurzeln der US-amerikanischen Kreuzzugsmentalität gegen das Böse auseinandersetzt. Ein aktuelles Beispiel dafür liefert gerade US-Präsident George W. Bush, der explizit zu einem „Kreuzzug“ der zivilisierten Welt gegen das Böse als Antwort auf die Anschläge vom 11. September aufgerufen hat.

Wie nun kann aus europäischer Sicht Widerstand gegen die „McWorld“-Kultur organisiert werden? Hier sind insbesondere in drei Beiträgen eine Reihe von originellen Gedankenzu finden. Dabei erweckt der Beitrag „Der Reichsgedanke“ bereits beim ersten Durchblättern des Buches die meiste Aufmerksamkeit. Denn nichts liegt dem heutigen „McWorld“-Bewohner wohl ferner als dessen Reanimierung. Wie dieser nur scheinbar anachronistische Gedanken dennoch fruchtbar zu machen ist, gehört sicherlich zu den aufregendsten Passagen des Buches.

Der Reichsgedanke könne deshalb als Modell für die europäische Einigung - an deren Notwendigkeit als Antwort auf die Globalisierung Benoist nicht zweifelt - herangezogen werden, weil das Reich eine „pluralistische Einrichtung“ darstellt, „die von einem die politische Ordnung übersteigenden Prinzip beseelt wird“. Das Reich lasse die „eigene Lebensweise und das besondere Recht der einzelnen Völker unangetastet“. Dieser „Föderalismus“ steht im Gegensatz zum Begriff der Nation, insbesondere aber zum französischen Begriff der Staatsnation, die mit ihrem Drang zur Zentralisierung und Homogenisierung den Prozeß der europäischen Einigung zu kontaminieren droht.

In vielen Punkten lesen sich Benoists Essays wie eine vertiefende Fortsetzung des 1999 in der Edition JUNGE FREIHEIT erschienenen Buches „Aufstand der Kulturen“. Das Niveau, auf dem der Autor die Herausforderungen und Konsequenzen der Globalisierung diskutiert, bleibt bisher in Deutschland im (rechts-)konservativen Lager immer noch unerreicht. Vielleicht erklärt das auch dessen frappante politische Einflußlosigkeit. Seine Exponenten täten jedenfalls gut daran, sich intensiv mit Benoist auseinanderzusetzen.

Alain de Benoist: Schöne vernetzte Welt. Eine Antwort auf die Globalisierung. Hohenrain-Verlag, Tübingen 2001, 445 Seiten, 38 Mark


 
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