© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/01 12. Oktober 2001

 
Die demographische Apokalypse
Hans-Dieter Striening zufolge droht der Welt das Schicksal der Osterinsel
Volker Kempf

Es war Oswald Spengler, der nach ausgedehnten historischen Studien die Überzeugung gewann, daß dem Abendland das gleiche Schicksal drohe wie allen vorangegangenen Hochkulturen, nämlich das des Untergangs. Der Ökonom und Soziologe Hans-Dieter Striening machte eine ähnliche Erfahrung: Ihm ging auf, daß es der „Weltzivilisation“ bald ergehen könne wie der Kultur der Osterinsel: ungehemmtes Bevölkerungswachstum und rasante Zerstörung des begrenzten Lebensraumes stürzte dort die Menschen in die unvermeidliche Katastrophe.

Die Bevölkerung nahm auf der Insel in kurzer Zeit von 15.000 Menschen auf 300 ab. Grauenhafte Gemetzel um die letzten Lebensgrundlagen müssen stattgefunden haben. Mangelhafte ökologische Kenntnisse von den Lebensbe­dingungen auf der Insel lösten die Tragödie aus. Aber sind wir Erdenbürger heute schlauer? Und wenn ja, auch entsprechend konsequent?

Wir wissen heute, daß der Bodenertrag nicht mehr wesentlich gesteigert werden kann, während die Weltbevölkerung weiter wächst. Auch die Fischerei ist an ihren Ertragsgrenzen angelangt. Ebenso wird Trinkwasser eine immer wertvollere Ressource. Das „Osterinsel-Syndrom“ hat sich zwar noch nicht globalisiert, aber die Einwohnerzahl je Quadratkilometer Ackerbaufläche ist in vielen Ländern so groß, daß sich Krisenherde bilden. Beispiel: „Die zwei für afrikanische Verhältnisse kleinen Staaten Ruanda und Burundi, die schon immer zu den Ärmsten der Welt zählten, liefern seit Jahren traurige Schlagzeilen wegen blutiger Stammesrivalitäten zwischen Hutus und Tutsi. Brutales Morden beherrscht die Auseinandersetzungen, die gewiß nur zum Teil ihre Ursache in den traditionellen Verschiedenheiten dieser beiden Stämme haben. Viel bedeutsamer ist es, zu erkennen, daß beide Stämme vornehmlich auf landwirtschaftliche Selbstversorgung angewiesene Gesellschaften sind, die sich einen geografischen Raum teilen müssen, der von mehr als 500 Einwohner je Quadratkilometer Ackerbaufläche bevölkert wird. Einst galten die Landwirtschaft und der Ackerbau in Burundi und Ruanda als afrikanische Musterbeispiele. Doch als Folge des rapiden Bevölkerungswachstums, das die Zahl der Menschen von 2,5 Millionen in 1950 auf mehr als 8 Millionen in 1994 katapultierte, sank die Ackerfläche auf 0,03 Hektar pro Person und liegt am untersten Ende der Vergleichsskala aller dichtbesiedelten Länder der Welt.“ In weiten Teilen der islamischen Welt sehe es nicht viel besser aus, etwa im Palästinensergebiet. Armut und Fanatismus fänden rasch zusammen. Fanatismus kennt aber keine Grenzen und tritt auch aus purer Stammessolidarität auf, also ohne eigene Armut. Da die Weltbevölkerung weiter zunehmen wird und die Zahl der armen und ungebildeten Menschen gleich mit, sind die Zukunftsaussichten düster.

Als Lichtblick sieht Striening, daß ab einer bestimmten ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung die Bevölkerungszahlen mitunter sogar rückläufig sind. Daß aber eine weltweite Übertragung unseres materiellen Lebensstandards auch nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann, liegt nahe. Denn Energieverbrauch und Fleischkonsum, der ineffizienter ist als der unmittelbare Verzehr pflanzlicher Nahrung, nehmen mit dem Wohlstand zu und würden die Erde mehr denn je überbeanspruchen und ebenfalls ein „Osterinsel-Syndrom“ provozieren. Das Ziel, eine grundlegende Wende zu erreichen, erscheint dann auch Striening kaum durchsetzbar. Denn am Ende heißt es nur noch: „Der Weg ist das Ziel“.

Der Autor bietet eine glänzende Problemanalyse und kämpft pragmatisch um das Überleben auf der Erde.

Hans-Dieter Striening: Das Osterinsel-Syndrom.Walhalla Fachverlag, Berlin 2001, 352 Seiten, 48,80 Mark


 
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