© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/01 26. Oktober 2001

 
CD: Pop
Anspruchsvoll
Holger Stürenburg

Zwei Jahre nach seinem letzten Album meldet sich Roland Kaiser, einer der erfolgreichsten deutschen Popsänger der letzten 20 Jahre, zurück. Es soll hier mit Absicht das Wort „Schlagersänger“ vermieden werden, denn schon seit den ausgehenden achtziger Jahren hat sich der heute 49jährige Berliner zum Interpreten anspruchsvoller Popmusik gewandelt. In Amerika würde man Roland Kaiser als „Entertainer“ bezeichnen und mit Neil Diamond oder Lionel Richie vergleichen. Mitte der letzten Dekade nahm er zwei Alben („Grenzenlos“ 1 und 2) auf, auf denen er Pop- und Rockklassiker von Bryan Adams, Chicago, Elton John oder Carly Simon mit deutschen Texten versah, musikalisch aktualisierte und damit seinen endgültigen Bruch mit dem Schlager-Dasein vollzog. Waren zum Beispiel „Santa Maria“ (1980) oder „Die Gefühle sind frei“ (1983) noch richtige Schnulzen für Herz und Schmerz, so galten „Joana“ (1984) oder „Hier fing alles an“ (1985) bereits als deutsche Antworten auf die damals erfolgreiche britischen New Romantics. Mit dem Liebeslied „Wind auf der Haut und Lisa“ (1990), dem düsteren Großstadtpop „Ganz oder gar nicht“ (1993) oder dem Rapversuch „Hallo, schöne Frau“ (1994) ist Roland Kaiser im Bereich „Deutsch-Pop“ angekommen. Kommerziell erfolgreich war er zuletzt jedoch nur im Zuge des Schlagerrevivals der letzten vier, fünf Jahre. Man unterlegte seine Althits der Siebziger und Achtziger mit scheußlichen Computerbeats und ließ die Nachgeborenen auf Schlagerpartys dazu grölen. Der Künstler selbst schien damit nicht zufrieden zu sein, so daß er auf seinen aktuellen Platten ausschließlich deutsche Rock- und Popmusik präsentierte und sich nicht darauf einließ, im Schlagerrevival verheizt zu werden.

Auch Roland Kaisers kürzlich erschienenes neues Album „Alles auf Anfang“ hat mit den Banalitäten eines Wolfgang Petry oder einer Nicole bzw. Michelle nichts gemein. Im derzeit herrschenden Latino-Trend setzen die Kompositionen von „Alles auf Anfang“ auf südamerikanisch angehauchte Klänge, zu denen Kaiser meist selbstgeschriebene deutsche Texte singt. Es geht zu spanischen Gitarren und brasilianischen Rhythmen um das „Mädchen aller Träume“ oder „Die Frau, von der man spricht“. Der Titelsong „Alles auf Anfang“ ruft zum Neubeginn auf, während eher rocklastig gefordert wird: „Gib mir einen Tag Zeit“. In „Jeder gegen Jeden“, das verdammt nach dem letztjährigen Sommerhit von Marc Anthony klingt, blickt Kaiser textlich auf seine Anfänge à la „Sieben Fässer Wein“ oder „Hier kriegt jeder sein Fett“ zurück. Unterkühlt kommt „1000 Grad“ daher, eher mitreißend und melodisch „Weil ich sie liebe“.

Produziert von Peter Wagner, der seit fast zwei Jahrzehnten Kaisers Aufnahmen betreut, und unterstützt von Jack White, bietet das Album elf neue Songs, die Roland Kaisers Qualitäten auf hohem Niveau zeigen: seine kühle Art in Auftreten und Interpretation, seine Fähigkeit, auch erotisch grundierte Texte ohne jede Peinlichkeit darzubieten, und vor allem seinen Willen, deutsche Popmusik an internationalen Standards zu orientieren, was Produktion, Konzeption und besonders die Kompositionen und Arrangements betrifft. Auch ein typischer Kaiser-Klassiker ist auf „Alles auf Anfang“ dabei: Die erste Single „Ich geh’ mit Dir, wohin Du willst“ ist ein Ohrwurm, den man nicht mehr so schnell vergißt. Zusätzlich zur Radioversion befindet sich auch ein tanzbarer „Blue PM Mix“ auf der CD. Zudem gibt es einen „Dance Remix“ des peppigen „Mädchen aller Träume“ und eine 2001-Version des 1982er Hits „Manchmal möchte ich schon mit Dir“.

„Alles auf Anfang“ ist eine hörenswerte CD, mit vielen Ohrwürmern und Liedern zum Träumen, Tanzen und Mitsingen. Für Oktober/November 2002 ist eine große Deutschlandtournee des Berliner Entertainers geplant. Der Vorverkauf hat bereits begonnen.


 
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