© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/01 09. November 2001


Afganistan-Krieg
Schröders Eitelkeit
Jörg Fischer

Bei seinem Amtsantritt 1998 schwor Gerhard Schröder, daß er seine „Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden“ werde. Spätestens seit letztem Dienstag hat er anderes im Sinn: Über 3.900 Bundeswehrsoldaten sollen „auf Anforderung der USA“ im „Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ eingesetzt werden. Das klingt vernünftig angesichts von tausenden Terroropfern in den USA.

Doch die USA sind nicht in militärischer Bedrängnis, seit dem Beginn des Afghanistan-Angriffs am 7. Oktober sind keine nennenswerten Verluste der US-Streitkräfte bekannt geworden. Und nicht George W. Bush hat die Bundeswehr „angefordert“, sondern der Kanzler hat mit seinem Bekenntnis zur „uneingeschränkten Solidarität“ die deutschen Soldaten angeboten.

„Wenn wir das diesmal durchziehen“, zitierte der Spiegel einen außenpolitischer Berater von Kanzler Schröder, „dann dürfen wir beim nächsten Mal auch mitreden.“ Und nur für dieses „Mitreden“ (und die spätere Aufnahme in die „Reihe der Großen“) riskiert der Bundeskanzler, daß dem deutschen Volk mög-licherweise enormer Schaden zugefügt wird.

Bislang haben der „Terrorscheich“ Osama bin Laden und seine „Islamisten“ Deutschland nicht in ihrem Visier. Deutsche Soldaten standen seit den Türkenkriegen nicht mehr im Kampf gegen Muslime. Wir hätten in diesem Konflikt eine ehrenvolle Vermittlerrolle einnehmen können. Das ist nun anders: Deutschland hat den „islamischen Brüdern“ in Kabul den Krieg erklärt - so ist es vom „Kriegskanzler“ zwar nicht gemeint, doch genauso werden es die vielzitierten „gewaltbereiten Islamisten“ empfinden.

Terroranschläge in Deutschland und gegen Deutsche sind nach dem 6. November 2001 nicht mehr auszuschließen! Nicht jeder Kaftanträger ist ein Islamist, nicht jeder Islamist ein Terrorist. Doch bei uns leben bald drei Millionen Muslime, Hunderttausende davon besitzen sogar einen deutschen Paß. Unsere Grenzen sind und bleiben, trotz Otto Schilys „Anti-Terrorpaketen“, völlig offen, da helfen weder Schleierfahndung noch sporadische Kontrollen des Bundesgrenzschutzes. Jeder, der es darauf anlegt, kann ungehindert zu uns kommen. Außer Kamikaze-Fliegern und Milzbrand gibt es 1.001 Methoden, in unsere „offene Gesellschaft“ Angst und Schrecken, Tod und Verderben zu bringen.

Der Kanzler sollte sich daran erinnern, was der Reichsbevollmächtigte für den Südosten, Hermann Neubacher, 1942 seinem Kriegsherrn mahnend vorgehalten hat: „Wenn sie einem bosnischen Moslem in Sarajevo eine Ohrfeige verpassen, fängt ein Student in Kairo an, auf sie zu schimpfen.“ Beängstigend ist die schwache Opposition gegen diesen faktischen Kriegskurs der Bundesregierung: Von den Rühes und Westerwelles war nichts anderes zu erwarten, die Grünen hängen an ihrer Macht. Doch daß allein PDS, unabhängige „Friedensbewegte“ und NPD - aus unterschiedlichen Gründen - eindeutig gegen den Berliner Kriegskurs auftreten, ist nicht zum Wohle des deutschen Volkes.


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