© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/01 09. November 2001

 
Ein zu höflicher Versuch
von Ekkehard Schultz

Höflich wollten sie auf die wirtschaftlichen Mißstände in Sachsen-Anhalt aufmerksam machen; jene 47 Verfasser eines „Offenen Briefes“ an Ministerpräsident Höppner, der am vergangenen Samstag in der Mitteldeutschen Zeitung (MZ) ganzseitig als Anzeige veröffentlicht wurde. Darin beklagen die namhaften Unterzeichner, unter ihnen der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, Rüdiger Pohl, der Präsident des Landesarbeitsamtes, Martin Heß und der Herausgeber der MZ, Alfred Neven DuMont, das investitionsfeindliche Klima. Wenn man nicht bald ein zukunftsfähiges ökonomisches Leitbild entwickele und den Kurs ändere, werde - so heißt es im Aufruf wörtlich - „Sachsen-Anhalt weiter Schlußlicht bei vielen wirtschaftlichen Kennzahlen in Deutschland“ sein und bleiben.

Vielleicht war der Tenor des Briefes aber doch zu höflich. Denn Höppner wertete die scharfe Kritik nicht als Warnsignal, sondern als „Rückenstärkung“. Die angesprochenen, weithin sichtbaren Probleme - die geringste Steuerkraft, die kleinste Selbständigenquote und die höchste Arbeitslosigkeit aller Bundesländer - bewegten den Ministerpräsidenten nur zu der müden Entgegnung, gerade erst seien in einer aktuellen Sitzung des „Bündnisses für Arbeit“ durch ihn diese Punkte angesprochen und Lösungskonzepte vereinbart worden.

Nach der Wirtschaft scheinen in Sachsen-Anhalt bald auch alle Uhren stillzustehen. Somit wäre es besser gewesen, den Ministerpräsidenten nicht durch höfliche Worte, sondern durch ohrenbetäubendes Getöse aus seinem Dauerschlaf zu wecken.


 
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