© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/01 09. November 2001

 
UMWELT
Die Qualen der Hormon-Pferde
Volker Kempf

Wenn jemand Urin von Tieren trinkt, ist das sicher pervers. Millionen von Frauen in den besten Wechseljahren tun das in Deutschland aber täglich. Denn gängige Hormonpräparate wie „Presomen compositum“ werden aus Pferdeurin gewonnen. Dieser Urin stammt zudem nicht von glücklichen Pferden auf der grünen Wiese. Der Perversität nicht genug, werden die Pferde für die Urinschluckerei von Menschen auch noch eigens unwürdig gehalten. Um die erforderlichen Mengen zu erzielen, stehen zehntausende von Pferden in engen Boxen, in denen ihre Notdurft zwecks Vermarktung eingefangen wird.

Die Stuten bekommen extra wenig zu trinken, damit das Konzentrat besser ist. Die eigens gedeckten Tiere bringen natürlich Fohlen zur Welt, welche dann geschlachtet werden. Dieses so gewonnene Östrogen ist ein anderes als das von Menschen, weshalb Fachleute keine medizinische Erklärung dafür haben, was das urinöse Mittel bringen soll. Aber heute kommt es vor allem darauf an, wie man etwas verkauft, nicht was. Das berichtet die Monatszeitschrift Natur & Heilen in ihrer Novemberausgabe.

Der Perversitäten sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt. Und wo es Grenzen gibt, sollen sie fallen. Der Bundesrat hat jedenfalls eine Novellierung des Naturschutzgesetzes beschlossen, wonach Sing- und Zugvögel auch in Deutschland für die Käfighaltung eingefangen und vermarktet werde dürfen. Vielleicht führt bald jemand die Sklaverei wieder ein, dann weiß man wenigstens, wo man lebt: im Mittelalter. Doch damals trank man immerhin keinen Pferdeurin. So unterscheidet sich unser zivilisiertes Mittelalter vom Original vor allem im Grad der Perversität. Viel schlimmer als das, was ist, kann das, was noch kommt, nicht mehr werden.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen