© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/01 16. November 2001

 
Tafelsilber verhökert
von Bernd-Thomas Ramb

Die Spatzen hatten es seit Monaten vom Dach des Reichtagsgebäudes gepfiffen. Die Schätzung der Steuereinnahmen für dieses und das nächste Jahr sind um 32,1 Milliarden Mark nach unten zu revidieren. Allein in der Haushaltskasse des Bundes fehlen in diesem Jahr 4,2 Milliarden und im nächsten 5,3 Milliarden Mark. Grundlage der Fehleinschätzung waren die überzogenen Erwartungen eines kräftigen Wirtschaftswachstums, dessen Ausbleiben sich jedoch schon im Sommer abzeichnete. Finanzminister Eichel hatte also genügend Zeit, sich einfallen zu lassen, wie er die fehlenden Steuereinnahmen ausgleichen kann. Schließlich hängt er an seinem Ruf als Sparminister - so sehr, daß er keine Scheu entwickelt, zusätzlich das Image eines „Luftbuchers“ hinzuzufügen. Diesen Vorwurf mußte sich sein Vorgänger Theo Waigel gefallen lassen, der Haushaltslöcher in Milliardenhöhe mit einem einseitigen Konzeptpapier, dem „Waigel-Wisch“, zu stopfen pflegte.

Eichels konkrete Idee, den Steuerausfall auszugleichen, ist ebenfalls weder originär noch originell. Sein ministerieller Finanzexperte Overhaus, derselbe wie zu Waigels Zeiten, schlägt den Verkauf von Bundesvermögen vor. Wenn das niemand kaufen will, wird es einfach der Bundeskreditanstalt angedreht. So einfach ist das. Und die volkspädagogische Moral der Geschichte? In Zeiten niedrigen Einkommens wird nicht nach den Ursachen geforscht und auch nicht der Gürtel enger geschnallt, sondern das Tafelsilber verhökert. Von einem lebenstüchtigen Vorbildcharakter zeugt dies nicht.


 
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