© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/01 16. November 2001

 
PRO&CONTRA
Ausweitung der Asylgründe?
Pressemitteilung von amnesty international / Dr. Hans-Peter Uhl

Zu der unvollständigen Umsetzung von völkerrechtlichen Verpflichtungen zählt, daß auch weiterhin Personen, die von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt werden, nicht als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention … anerkannt werden sollen. Bislang ist aufgrund der in der Rechtsprechung entwickelten Definition der politischen Verfolgung, wonach diese ausschließlich von einer staatlichen oder quasi-staatlichen Gewalt ausgehen oder zumindest dieser zuzurechnen sein muß, entgegen der Praxis in den meisten anderen Vertragsstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention und den ausdrücklichen Empfehlungen des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) den Opfern nichtstaatlicher Verfolgung der Flüchtlingsstatus … versagt worden. Im ausdrücklichen Gegensatz zur Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat das Bundesverwaltungsgericht diesen Menschen auch den Abschiebungsschutz … verweigert. In vielen Fällen wurden die Schutzsuchenden alleine deshalb nicht abgeschoben, weil tatsächliche Hindernisse (wie fehlende Flugverbindungen nach Somalia) der Abschiebung entgegenstanden. … Der Referentenentwurf enthält keine Vorschrift, wonach auch Opfer nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung zumindest als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anzuerkennen sind. amnesty international plädiert für eine gesetzliche Klarstellung dahingehend, daß Flüchtlinge, die von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt werden, als politisch Verfolgte … anzuerkennen sind. Grundlage für den Flüchtlingsschutz ist die Genfer Flüchtlingskonvention, die bekanntlich nicht zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Verfolgern unterscheidet. Dieser Flüchtlingsbegriff muß sich endlich vollständig im deutschen Recht widerspiegeln. Einzelne Personengruppen dürfen nicht willkürlich aus dem Anwendungsbereich der Flüchtlingskonvention hinausdefiniert werden.

 

Pressemitteilung von amnesty international zum Gesetzesentwurf von Innenminister Otto Schily.

 

 

Einer Ausweitung der Asylgründe auf „nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung“ muß eine klare Absage erteilt werden. Damit würde die bisherige Abgrenzung zwischen politisch Verfolgten und bloßen Wirtschaftsflüchtlingen aufgegeben. Auch Otto Schily hat diese Meinung im letzten Jahr in einer Stellungnahme vertreten: „Der Wegfall des Erfordernisses der Staatlichkeit (...) durch Gesetzesänderungen ließe erheblichen Zuwanderungsdruck erwarten.“ Ausländer müßten als Asylberechtigte anerkannt werden, die vor Kriegs- und Bürgerkriegssituationen, vor Armut und wirtschaftlicher Verelendung und vor Natur- und Hungerkatastrophen fliehen; ebenso gepeinigte Frauen, die durch traditionelle Sitten benachteiligt sind. Selbstverständlich muß alles getan werden, um diese unmenschlichen Riten international zu ächten.

Aber es würden beispielsweise auch kriminelle Ausländer, denen im Herkunftsland Racheakte von Verbrecherbanden drohen, den Status der nichtstaatlichen Verfolgung erhalten. Diesen Ausländern würden wir damit ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zubilligen, das sogenannte „kleine Asyl“. Folge davon wäre u.a. ein Anspruch auf Familiennachzug und der Zugang zum Arbeitsmarkt ohne jede Bedarfsprüfung und ohne Quotierung. Unbeschränkter und unkontrollierter Zuwanderung würde damit Tür und Tor geöffnet. Deutschland würde damit im Alleingang die bislang auf EU-Ebene getroffenen Vereinbarungen noch überschreiten und zum Hauptanziehungspunkt für Wirtschaftsflüchtlinge innerhalb der EU werden. So haben sich die Mitgliedstaaten der EU bereits 1996 auf einen gemeinsamen Standpunkt zum Flüchtlingsbegriff geeinigt, wonach nur staatliche oder dem Staat zurechenbare Verfolgung zur Anerkennung als Flüchtling führt. Die nichtstaatliche und die geschlechtsspezifische Verfolgung werden hiervon aber gerade ausgeschlossen.

 

Dr. Hans-Peter Uhl ist Bundestagsabgeordneter der CDU und Mitglied im Innenausschuß.


 
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