© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/01 16. November 2001

 
Witz, komm raus
Kino: „Der Überfall“ von Florian Flicker
Ellen Kositza

Mag sein, daß Josef Hader und Roland Düringer die Sterne am österreichischen Kabaretthimmel sind, daß Hader gar den Nestroyring der Stadt Wien verliehen bekam. Mag sein, daß dieser Film bei den Filmfestspielen in Locarno 2000 mit dem „Bronzenen Leoparden“ für die besten männlichen Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde. Mag auch sein, daß die Neue Zürcher Zeitung die Chose „glänzend komisch“ findet und der Tagesanzeiger „großartig“ und „umwerfend“. Dabei ist es ja ohnehin erstaunlich - mit Blick auf den florierenden „Comedy“-Sektor auf der Mattscheibe - wie flach Witze sein können und womöglich müssen, um Gefallen und einen vorzüglichen Sendeplatz zu finden.

Dabei will Regisseur Florian Flicker sein Machwerk, entstanden in einem sechswöchigen Schnellschuß, als Tragikomödie verstanden wissen - Achtung, Anspruch! Und so geht das: Der arbeitslose und geschiedene Andi (Roland Düringer), tätowierter Jungspund in Turnschuhen, ist schon länger mit den Alimenten für Frau und Kind im Rückstand, und jetzt fehlt ihm gar das Geld zu einem Geburtstagsgeschenk für seinen Jungen. Also plant er, einen Supermarkt zu überfallen, vielmehr, er plant gar nicht, sondern zieht einfach los, mit bunter Perücke, Pappnase und Knarre, was saisonal bedingt nur mäßig auffällt; es ist Fasching in Wien.

An der Kasse verläßt den Narren sein Mut, aber weil eben Knete hermuß, stürmt er verwirrt die kleine Schneiderei gegenüber. Und weil wir in Österreich sind, befindet sich der Laden in einheimischer Hand. Geschäftsinhaber Josef (Joachim Bißmeier) hat gerade Besuch vom leicht zurückgebliebenen Herrn Kopper, der Laden wird verriegelt, und die nächsten Stunden hocken die drei Gestalten in der dunklen Schneiderstube. Andis Flucht wird nämlich durch einen tatsächlichen Überfall von fremder Hand auf den Supermarkt auf der anderen Straßenseite vereitelt, es wimmelt von Uniformierten und vermummten Scharfschützen. Ohne selbst gemeint zu sein, ist der Jungganove umzingelt.

Was nun in der Schneiderei vor sich geht, liest sich in der Pressemappe so: „Sehr schnell kommt hinter der Maske des abgebrühten Räubers ein verunsichertes, ratloses und ziemliches ungeschicktes Nervenbündel zum Vorschein. Die Grenzlinien zwischen dem Täter und seinen Opfern beginnen zu verschwimmen. Denn auch der so harmlos und devot wirkende Kunde hat seine abgründigen Seiten“.

Die als „rabenschwarze Groteske“ gepriesene Geschichte entpuppt sich als trübe Soße, in der man vergeblich nach Hintergrund oder Witz zu fischen sucht. Mal fällt des Schneiders Gebiß in Andis Colagetränk, mal muß der eine dem anderen Gefesselten zum Pinkeln die Hose öffnen, hahaha, und dann erfährt man, daß der biedere Josef ein ziemlich gemeiner Mensch ist, der Pornoheftchen sammelt und sich eine Geliebte hält (Thema: „zwischenmenschliche Abgründe“), daß gut und böse also gar nicht auseinanderzuhalten sind in diesem Kriminalfall. Dazwischengeschaltet werden einige Szenen in längst abgedroschener „Lola-rennt“-Manier: man sieht den Ganoven im Fortgang des Geschehens, das sich dann als rein visionäre Variante entpuppt.

Dieser Film ist rundherum schlecht, selbst die Statisten sind schlecht, Details unstimmig - sollte ein Supermarkt derart überfallen werden, daß ein Sondereinsatzkommando mit Scharfschützen eingreifen muß, würde dann nicht mindestens die halbe Straße, sicher aber nicht bloß der Ladeneingang abgesperrt werden? Florian Flicker, Jahrgang 1965, ist bereits für seine vorigen Spielfilme „Halbe Welt“ und „Suzie Washington“ mehrfach ausgezeichnet worden. Aber, was heißt das schon? Das Buch zum Film jedenfalls ist erschienen im „Verlag der Provinz“. Und da gehört es auch hin.


 
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