© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/01 23. November 2001

 
UMWELT
Klimatologisches Polittheater
Volker Kempf

Bald zehn Jahre ist es her, daß die erste Klimakonferenz in Rio stattfand. Es war eine UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung - Wirtschaftswachstum und Umweltschutz sollten versöhnt werden. Menschen haben eben Träume. Denn es ist absurd, nicht erneuerbare Rohstoffe und Energieträger nachhaltig nutzen zu wollen wie einen Wald, der ständig nachwächst. Während nach einem endgültigen Vertragstext von Konferenz zu Konferenz weiter verhandelt wurde, sollten die klimarelevanten Abgaswerte wenigstens nicht schlechter werden, wurden es aber. Denn das Wirtschaftswachstum hat alle Effizienz­bemühungen wieder aufgefressen.

Und weil man ahnt, daß selbst die abermals aufgeweichten Klimazwischenziele nicht erreicht werden, muß sich nach allem, was jetzt Mitte November in Marrakesch festgezurrt wurde und in Johannesburg einen letzten Dienstsiegel bekommen soll, jeder Vertragsstaat dazu verpflichten, für nicht eingehaltene Klimaschutzziele in Zukunft um so mehr Klimaschutz zu betreiben. Das ist zwar ein Zirkelschlag, aber so lange das keiner merkt, können Politiker sich weiter über zwei Wahlperioden hinweg als Umwelthelden profilieren - auch Helmut Kohl, dem hierin jetzt Jürgen Trittin nacheifert, verstand sich darin prima. Und wenn die ganze Sache letztlich zwangsläufig doch auffliegt, dann sind andere an der Regierung, die wieder irgendwie mit neuen Minimalzielen weiterwursteln. Und Optimisten werden nicht verstummen, jede noch so klägliche Wurstelei als Hoffnungsanker für ein „Happy End“ nach amerikanischem Vorbild zu feiern, ohne daß die Amis selbst mitspielen, weil ihnen das wirk-
liche Leben doch etwas zu ernst ist, um sich darin völlig der Lächerlichkeit preiszugeben.


 
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