© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/01 23. November 2001

 
CD: Rock
Für immer jung
Holger Stürenburg

John Cougar Mellenkamp ist ein viel beschäftigter Mann. Neben seiner erfolgreichen Karriere als melodiebetonter Folkrocker, die seit 1979 andauert und ihm in den USA mehr als zehn Top-10-Alben und 29 Top-40-Singles einbrachte, trat er als Schauspieler („Falling from Grace“, 1992) auf, veröffentlichte 1999 ein Buch mit seinen Gemälden und arbeitete musiktherapeutisch mit autistischen Kindern.

Er tritt Jahr für Jahr auf der Benefiz-Konzertreise „Farm Aid“ auf und schreibt derzeit an einem Musical, das sein Freund Stephen King inszenieren wird. Trotz dieser Aktivitäten gelingt es ihm, seine vielen Fans alle paar Jahre mit einer knackigen Rockplatte zu erfreuen. 1998 unterschrieb er einen neuen Vertrag bei Sony; das schlicht „John Mellenkamp“ betitelte Album war sein etwas müde und abgeschlafft wirkender Einstand dort.

Nun ist sein aktuelles Album „Cuttin‘ Heads“ erschienen, das in seinen besten Momenten an Mellenkamps Klassiker „Uh-Huh“ (1983) oder „Scarecrow“ (1985) heranreicht und die gelungenste Arbeit seit Jahren darstellt: Aufgeweckt, rockorientiert, aber durchaus modern klingen die zehn neuen Songs; ein Rapper und eine Country-Diseuse begleiten ihn bei einigen Liedern und verpassen seinem traditionellen Folkrock eine zeitnahe Ausrichtung. Wesentlich ausgeschlafener, inspirierter, engagierter als sein Sony-Debüt vor zwei Jahren rockt „Cuttin‘ Heads“ munter los, beinhaltet aber auch - das war bei Mellenkamp bislang selten der Fall - ein paar gefühlvolle Balladen.

Der Titelsong kommt funkig daher mit allerlei Chören und Rappern und verbindet eine eingängige Eigenkomposition mit dem Soulklassiker „Papa got a brand new Pigbag“. In der Radiosingle „Peaceful World“, einem typischen Mellenkamp mit Fideln und Akkordeon, heißt es: „We’re sick and tired of being politically correct“; statt dessen ruft er sein Girl auf, mit ihm „from Indiana down to Tennessee“ zu fahren und für eine friedvolle Welt zu streiten. „Deep blue Heart“ ist eine melodiöse Ballade des sonst so zynischen Zeitgeistbetrachters; ebenso „Just like you“, ein Kompliment an seine Frau mit einem sehr persönlichen Text. Möglichst am knisternden Kamin genießen sollte man „The same way I do“, ebenfalls eine Liebeshymne, voller Romantik und zugleich Dramatik. Mellenkamp, der am 7. Oktober seinen 50. Geburtstag feierte, scheint auf seine alten Tage die Vorzüge der Liebe für sich entdeckt zu haben; selten zuvor bevölkerten so viele Balladen eines seiner Alben. Auch „Woman seen“ und „Worn out nervous conditions“ drehen sich um Liebe und ihre Folgen. Doch auch der Zyniker Mellenkamp schweigt auf „Cuttin‘ Heads“ nicht. So heißt es nach der Wahl Bushs zum neuen Präsidenten in „Crazy Island“ über Mellenkamps Heimat: „Hey, hey America, you’re some kind of crazy Island“.

Abgeklärt, eindringlich, aber auch romantisch, hoffend und vor allem frisch wie lange nicht mehr ertönt Mellenkamps Stimme; jugendliche Trotzigkeit und aufgesetzte Aggressivität, wie einst oft beklagt, sind nicht mehr zu vernehmen. Trotz des Einsatzes von funkigen Rhythmen, Rappern und ab und zu Grunge-orientierten Gitarren bleibt Mellenkamp auch auf „Cuttin‘ Head“ seinem Stil treu, der ihm in den achtziger Jahren Hits wie „Jack & Diane“, „Pink Houses“ „Smalltown“ oder „Lonely al‘ Night“ bescherte.

Nachdem er in den Neunzigern oft scheußliche Experimente mit Dancefloor- und Hip-Hop-Elementen veranstaltet hatte, knüpft Mellencamp mit „Cuttin‘ Heads“ wieder an seine Hitalben der achtziger Jahre an. Es ist energiegeladen, melodisch und tanzbar, enthält intelligente Texte und zeigt einen Sänger, Komponisten und Arrangeur, der auch mit 50 Jahren gut genug ist für den ein oder anderen Rockklassiker.


 
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