© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/01 30. November 2001

 
Große Fahnen
Kino II: „Die letzte Festung“ strotzt vor US-Patriotismus
Claus-M. Wolfschlag

Das Ende wirkt wie Hurra-Patriotismus pur: Der tödlich getroffene Held zieht mit letzter Kraft die Nationalflagge den Fahnenmast hoch. All die finsteren und zerstrittenen Gestalten von einst erstarren vor Ehrfurcht. Getragene Geigenmusik setzt ein, und die Stars and Stripes erstrecken sich großdimensioniert über die ganze Leinwand. Der neue Film von Regisseur Rod Lurie ist Programm. Obgleich noch vor dem 11. September 2001 abgedreht, steht er exemplarisch für die neue hurrapatriotische Welle, die das imperiale politische Programm George W. Bushs begleitet. So lautet Luries Lektion auf einen Nenner gebracht: Große Männer formen große Länder und lassen große Fahnen wehen.

„Die letzte Festung“ befindet sich nicht auf einem Schlachtfeld, sondern in einem Gefängnis (gedreht wurde die Geschichte im historischen Tennessee-Staatsgefängnis, jener Haftanstalt unter anderem für James Earl Ry, der das Attentat auf Martin Luther King jr. verübte). Der hochdekorierte General Irwin (Robert Redford), der sich einer verhängnisvollen Befehlsverweigerung für schuldig bekannt hatte, wird zur Verbüßung einer langen Haftstrafe in dieses Militärgefängnis eingewiesen. Colonel Winter (James Gandolfini), geltungssüchtiger Leiter der Anstalt und verhinderter Kriegsteilnehmer, verspürt anfangs Bewunderung für den Häftling, dessen Ruhm er gerne erlangt hätte. Doch als sich Irwin Winters Anbiederungen verschließt, statt dessen die drakonischen Disziplinierungsmethoden gegenüber den Gefangenen kritisiert, wandelt sich das Verhältnis der beiden Männer zunehmend in Haß. Irwin beginnt schließlich, die Gefangenen zu organisieren und eine furiose Revolte anzuzetteln.

Auch wenn das alte Muster des Aufstandes der Menschlichkeit gegen eine inhumane Autorität, verkörpert durch einen fast allmächtigen Gefängnisdirektor, „Die letzte Festung“ beherrscht, trifft dieses oberflächlich angelegte Schema nicht den Kern der Geschichte. Der introvertierte und versponnene Colonel Winter wird mitnichten als Bestie dargestellt, schließlich ist auch er ein US-Patriot. Und sein Gegenspieler General Irwin erscheint nicht nur als Vorkämpfer für Menschenrechte, sondern wird auch von narzißtischen Motiven geleitet. Der Kampf wird so zum spielerischen Wettbewerb zwischen zwei Militärstrategen, einem unfähigen Machthaber voller Pessimismus hinsichtlich der menschlichen Grundnatur und einem genialen Charismatiker, der es versteht, selbst das letzte Gesocks zu disziplinieren und für das Gute zu begeistern.


 
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