© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/01 30. November 2001

 
Leserbriefe

Zu: „Macht um jeden Preis“ von Paul Rosen, JF 48/01

Keine marginale Entscheidung

In den letzten Tagen erfuhr ich, wie einzelne Abgeordnete von SPD und Grünen, die sich gegen den Kriegseinsatz aussprachen, massiv unter Druck gesetzt wurden. Eine Landesvorsitzende der SPD sinngemäß: Man kann ja seine Meinung sagen, aber sich nicht gegen die Koalition stellen. Menschen, die zu ihrer Überzeugung stehen, heißen daher jetzt „Abweichler“.

Da habe ich in der Schule wieder was falsch verstanden: Ein Abgeordneter sei doch allein seinem eigenen Gewissen unterworfen? So steht es zumindest im Artikel 38 des Grundgesetzes. Und schließlich geht es hier ja nicht um den Bau einer Umgehungsstraße, sondern um die Verantwortung über Leben und Tod.

Welchen Wert das Ergebnis dieser Abstimmung jetzt noch hat - knappe zwei Stimmen Mehrheit in Verbindung mit der Fragestellung - bleibt der Phantasie des Lesers überlassen.

Ingmar Pätzold, Bad Mergentheim

 

 

Zu: „Kabul war nicht das Kriegsziel“, Interview mit Hanno Graf von Kielmansegg, JF 48/01

Noch kein Kriegsgewinn in Sicht

Ich bin auch der Auffassung, daß die Eroberung einer Hauptstadt nicht mit dem Gewinn des Krieges gleichzusetzen ist. Das Beispiel jedoch, das Graf Kielmansegg anführt, ist problematisch. Als Napoleon mit der „Großen Armee“ 1812 in Moskau einmarschierte, besetzte er nicht die Hauptstadt des Russischen Reiches. Hauptstadt Rußlands war bis 1918 St. Petersburg bzw. Petrograd.

Olaf Haselhorst, Per E-mail

 

 

Zu „Paradigmenwechsel“ von Dieter Stein, JF 47/01

Im Ausnahmezustand

Selbstverständlich darf Deutschland keinesfalls die Schicksalsfrage über Krieg und Frieden alleine den USA überlassen. Wie Dieter Stein zutreffend feststellt, gilt es für Deutschland aus dem gemütlichen Windschatten eines Protektorates der USA herauszutreten und die Notwendigkeit von deutschen Auslandseinsätzen explizit mit nationalen Interessen zu begründen.

Durch den Souveränitätsvertrag vom 12. September 1990 hat Deutschland seine volle Souveränität in allen inneren und äußeren Belangen wiedererlangt. Es ist daher vornehmste Aufgabe dieses unseres Staates, auf der Grundlage einer selbständig erarbeiteten Geostrategie, eine stringente Außenpolitik zu entwickeln, welche auch die ultima ratio einer Kriegsführung zum Zwecke der Verteidigung in fernen Ländern mit einschließt.

Bezüglich der lediglich symbolischen Teilnahme Deutschlands am Afghanistan-Krieg gilt es insofern festzustellen, daß der grauenvolle Terroranschlag vom 11. September 2001 von militanten Islamisten gezielt gegen die gesamte westliche Welt geführt wurde. Demnach wurde auch Deutschland mittelbar angegriffen. Hinzu kommt die tragische Tatsache, daß bei der Zerstörung des WTC 100 deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger getötet wurden. Zudem sorgt das Taliban-Regime für eine Belieferung Zentraleuropas mit Heroin in beträchtlichem Umfang. Folglich gibt es ein ganzes Bündel von nationalen Interessen, die eine militärische Teilnahme am Afghanistan-Krieg zu rechtfertigen geeignet sind.

Durch diese „Feuertaufe“ realisiert Bundeskanzler Schröder zudem, neben der rechtlich bereits gegebenen, die faktische Souveränität Deutschlands. Schon der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt wußte davon zu berichten, daß nur derjenige souverän ist, der über den Ausnahmezustand verfügt. Krieg ist ein solcher Ausnahmezustand. Und: Deutschland verfügt seit dem 16. November 2001 über denselben.

Andreas Wisuschil, München

 

 

Zu: „Rot-Grün am Ende“ von Paul Rosen, JF 47/01

Devote Position der Grünen

Große Teile unseres Landes diskutieren über die Afghanistanpolitik und die Formen und die Intensität einer deutschen Beteiligung. Ohne über den Sinn bzw. die Unsinnigkeit eines deutschen Militärbeitrages zu urteilen, möchte ich vor allem auf einen Aspekt eingehen, der meines Erachtens nicht ausreichend in der öffentlichen Diskussion wiederzufinden ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung im Jahre 1983 formuliert, daß als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Art. 68 GG eine politisch instabile Lage zwischen Bundeskanzler und Bundestag vorausgesetzt werden muß (Bundesverfassungsgerichts-Entscheidung 62, 1ff.). Diese instabile Lage ist derzeit hinsichtlich des Militäreinsatzes kaum vorliegend. Zwar ist keine Einheitlichkeit in den die Bundesregierung bildenden Fraktionen erkennbar, aber die Zustimmung der CDU/CSU- und FDP-Fraktionen wäre dem Kanzler in der Sachfrage ebenso sicher gewesen, wie der Großteil der SPD- und Grünenfraktionen. Ein Dissens zwischen Kanzler und Bundestag würde also nicht bevorstehen und eine sichere und breite Mehrheit für den Militäreinsatz wäre die Folge gewesen.

Das von grüner Seite wenig beachtete Treffen Schröder/Westerwelle und die nur schwache Kritik an der Verknüpfung von Vertrauens- und Sachfrage zeigen einmal mehr die devote Stellung der Grünen innerhalb der rot-grünen Regierung.

Matthias Hauer, Essen

 

Lehrstück für Psychologen

Der 16. November im Bundestag war ein Lehrstück für Psychologen, hat er doch gezeigt, wie rasch eine Partei, die ein hohes moralisches Niveau für sich in Anspruch nimmt, zu einer macht- und geldgeilen, Eiertänze aufführenden Horde prinzipienloser Gesellen verkommen kann. 

Gert Ziegler, München

 

 

Zu: „Tollwütig geworden“ von Matthias Bäkermann, JF 47/01

Terroristen und Freiheitskämpfer

Die Arroganz, Mißachtung der Völker und Heuchelei der westlichen Nationen, allen voran der USA, sind langsam ohne Beispiel geworden.

Wer Terrorist und wer ein sogenannter Freiheitskämpfer ist, bestimmen diese Nationen zusammen mit dubiosen Uno-Vereinen. So sind die Terroristen vom 11. September in den USA Topterroristen gemeinsam mit den Mordschützen und Bombenlegern in Israel. Doch andererseits sind Heckenschützen nicht gleich Heckenschützen. Das Moslemgesindel aus Tschetschenien, das in Rußland, vorwiegend in Moskau, Terroranschläge verübt, sind plötzlich ebenso „Freiheitskämpfer“, wie die in Nordwest-China hausenden Moslembanden der Uig´uren, die zu lammfrommen Kämpfern für eine eigene Nation hochstilisiert werden. Wenn einer das Gleiche tut wie der andere, ist es noch lange nicht dasselbe. In welch schizophrener Welt leben wir doch.

Ernst Reich, Schönwalde

 

 

Zu „Sondergenehmigung für Ritualmord“ von Volker Kempf, JF 47/01

Am Gesetz orientieren

Das Wort „Ritualmord“ ist reinste Polemik, es sei denn, Herr Kempf betrachtet jegliche Schlachtung als Mord. Wir sollten getrost davon ausgehen, daß in der Praxis längst in großem Stil geschächtet wird, sonst hätten ja alle Muslime und Juden bei uns seit Jahrzehnten gegen ihre Religion verstoßen. Das Verlangen nach Legalisierung der Schächtung soll wohl eher ausloten, wieweit das Abendland sich wieder mal orientalischen Forderungen beugt, als daß es religiös zwingend wäre. Um es abzuschmettern, braucht es bei konsequenter Auslegung wohl nur das Tierschutzgesetz. Stünde der Tierschutz im Grundgesetz, hätte er dort auch nur eine Patt-Situation zur freien Religionsausübung.

Allerdings: wer weiß schon, wie leidensfrei der Tod der Tiere bei herkömmlicher Schlachtung ist? Erst kürzlich wurde in einem Spiegel-Artikel berichtet, daß der bei uns übliche Bolzenschuß keineswegs immer zuverlässig tötet/betäubt und manche Kreatur am Fließband bei lebendigem Leibe und Bewußtsein zerlegt wird. Und wie schmerzvoll ist der Tod durch Ausbluten? Das könnte man ziemlich genau wissen, wenn man Leute befragte, die sich die Pulsadern aufgeschnitten haben und noch gerettet wurden.

Eberhard Koenig, Baiern

 

Zur Pankraz-Kolumne: „M. Houellebecq und der Harem als Swingerklub“, JF 47/01

Zumutung für Frauen

Was uns Pankraz über die Jahrhunderte alte Klugheit der islamischen Frauen vorsetzt, die ihre Männer aus dem Harem steuern, ist eine Zumutung. Seiner Analyse ist entgangen, daß die Chancen derjenigen, die nicht im bejubelten Hintergrund verschwinden wollen, je nach Land entweder gleich null oder sehr gering sind.

Pankraz' Urenkelinnen, die wohl in ein paar Jahrzehnten dafür kämpfen müssen, ohne Kopftuch herumlaufen zu dürfen, werden ihm seine öffentliche Begeisterung für den „Akt der Einsicht der klugen, aufgeweckten Türkinnen“ wärmstens danken. 

Karin Randak, per e-mail

 

 

Zu: „Schröders Eitelkeit“ von Jörg Fischer, JF 46/01

Verhalten von Puppenspielern

Es ist nicht Amerika, das gerade wieder einmal „Krieg“ spielt, sondern die Marionette Bush. Es ist auch nicht England, das globalen Imperialismus anstrebt. Es ist der Kriegshetzer und die Marionette Blair, der der City of London, dem größten Finanzimperium der Welt, Zugang zu noch mehr Geld und Macht verschaffen muß. Und es ist auch nicht Deutschland, das in diesen Chor der Marionetten drängt, sondern satte und selbstgefällige Kriegsgewinnler à la Schröder und Fischer.

Sollte mit Demokratie tatsächlich „Herrschaft für das Volk“ gemeint sein, dann haben wir längst keine mehr. In diesem Sinne könnten wir demnächst ja wieder einmal auf eine Aristokratie, eine Herrschaft der besten Köpfe, setzen. Das wäre nicht blaublütige Nostalgie, sondern die Herrschaft von kompetenten, selbstlosen und unabhängigen Politikern. Da könnten dann die Puppenspieler an ihren Fäden ziehen, doch keiner würde tanzen. 

Walter Koren, Glanz

 

 

Zu: „Mit Heidegger in neue Höhen“ von Werner Veith, JF 47/01

Große Wirkung in Ostasien

Dem Bericht der JUNGEN FREIHEIT zufolge hat Manfred Riedel einen „historischen Bogen“ geschlagen. Dabei versucht dieser eifrig, Heidegger einer „schwäbisch“-idealistischen Richtung zuzuschlagen. In eine solche Richtung paßt der Denker in der schweizerisch-alemannischen basisdemokratischen Tradition der badischen Revolution von 1848/49, bei der das alemannische Meßkirch und das alemannische Freiburg herausragend beteiligt waren, ganz und gar nicht. Er ist vielmehr der eurasischen Tiefenströmung verbunden. Die Bewußtseinsphilosophie des deutschen Idealismus erfaßte er als eine Sackgasse der verendeten Metaphysik.

Der späte Heidegger hat das deutsche Denken auf den Weltort Eurasien bezogen, auf Daoismus, Konfuzianismus, Buddhismus, auf das Leben der eurasischen Völker, auf deren Verbindung von Himmel und Erde. Der späte Heidegger dachte „überhaupt nicht mehr griechisch“. Jedoch führt er den deutschen Bildungshumanismus, zu dem auch Goethe, Herder und Marx gehören, weiter. Die internationale Wirkung seines Spätwerkes ist besonders stark in Japan, China, Rußland und Indien. Es gibt bereits eine umfangreiche Literatur über die beträchtliche Wirksamkeit Heideggers im mittleren und östlichen Eurasien.

Prof. Dr. Franz Filsner, Freiburg

 

 

Zu: „Ein gefallener Engel“ von Doris Neujahr und „Große Schwester, kleiner Bruder“ von Jörg Bernhard Bilke, JF 46/01

Diffamierende Tendenz

Als Leser der JUNGEN FREIHEIT bin ich enttäuscht von den zwei Beiträgen, die anläßlich des 25. Jahrestages der Ausbürgerung sowie des 65. Geburtstages von Wolf Biermann erschienen sind. Beide Artikel, insbesondere den von Autor Bilke, zeichnet eine denunzierende, teils diffamierende Tendenz aus. Sie werden der Bedeutung Biermanns nicht gerecht. Waren die Beiträge ursprünglich für das ND oder die Junge Welt gedacht?

Christian Dorn, Berlin

 

 

Zu: „Politisch Heimatlos“ von Peter Langreuter, JF 45/01

Offensichtlicher Notstand

Christian Wulffs Sorge um den Zerfall der CDU als Volkspartei ist voll berechtigt. In der Tat hat die Kohlregierung Millionen gerade der staatstragenden konservativen Wähler zu politisch Heimatlosen gemacht. Die trickreich inszenierte, nachträgliche Sanktionierung der Enteignungen, die völlige Mißachtung des Schicksals der Opfer der roten Diktatur, gerade auch der in den Westen geflüchteten, politisch Verfolgten mit ihren beruflichen Abstürzen ohne jeden Ausgleich, entziehen der CDU die ureigene Basis. Nicht zuletzt beschleunigte übertriebene Großzügigkeit bei Zugeständnissen finanzieller Art an die EU die Erosion. Unter dem überragenden Schatten des Altkanzlers stand so manches politische Nachwuchstalent nur vor der Wahl zu ducken oder zu weichen. Der derzeitige personelle Notstand ist offensichtlich. Vieles könnte besser aussehen, eine einmalige Chance wurde aus Machtgier bei der Wende verpaßt.

M. Seidel, Kassel

 

 

Zu: „Schlacht der Lügen“ von Michael Wiesberg, JF 43/01

Öffentliche Manipulierung

Während US-Bomber Vorräte in Afghanistan gezielt vernichten - „Die Lager des Komitees vom Internationalen Roten Kreuz in Kabul sind nicht zufällig getroffen worden“, bestätigte ein hochrangiger US-Offizier auf NBC -, schwören uns Politik und Presse weiterhin auf Krieg ein. „Gerade in Kriegs- und Krisenzeiten erlebt man ein nahezu perfektes Zusammenspiel zwischen Pressekonzernen und staatlichen Propagandainteressen“, weiß Eckart Spoo, langjähriger Vorsitzender der Deutschen Journalisten Union in der IG Medien. Er spricht von „Lügenpropaganda“, die das Volk kriegsreif machen soll. „Die Erfahrung hat gezeigt, daß gerade dann, wenn öffentliche Diskussion und Willensbildung von unten nach oben eigentlich besonders not täte, die Öffentlichkeit manipuliert wird.“ Und irgendwann einmal geben sich friedensbewegte Grüne wie die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen im Deutschen Bundestag, Angelika Beer, nicht länger mit Bombenteppichen zufrieden: „Man wird in dem gebirgigen Land Luftschläge nicht so lange führen können, bis das letzte Talibannest ausgelöscht ist.“ Man müsse deshalb prüfen, „wie durch Bodentruppen bestimmte Leute gefaßt, weitere militärische Einrichtungen zerstört werden können.“ Diese grüne Mutter Courage schlug, besorgt um das Wohl ihrer Soldaten, u. a. vor zur Stärkung der „psychischen Stabilität der Soldaten ... bei Auslandseinsätzen ... auch Möglichkeiten der legalen Prostitution zu prüfen“.

Stefan Birnstingl, Hitzendorf

 

 

Zu: „Ein Krieg um die Vormacht“ von Michael Wiesberg, JF 42/01

Privatkrieg mit allen Mitteln

Die Anschläge vom ersten September 2001 sind durch nichts zu entschuldigen, wir denken darin sind wir uns alle einig. Jedoch gerade die „zivilisierte Welt“, wie die Europäer und Nordamerikaner sich bezeichnen, sollte mit Bedacht handeln. Gewalt mit Gewalt beantworten, Bomben als Antwort auf Terroranschläge? Ist das die Lösung der Zukunft? Wodurch unterscheiden wir uns denn dann noch von den Terroristen? Albert Einstein sagte einmal: „Kein Ziel ist so hoch, daß es unwürdige Methoden rechtfertigt“.

Unser Bundeskanzler spricht von „uneingeschränkter Solidarität“ den USA gegenüber, etwa um jeden Preis? Oder fürchtet er einfach Konsequenzen der USA uns gegenüber, schließlich hat Herr Bush ja eindeutig gesagt: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“. Das ist „zivilisierte“ Weltpolitik, die Politik des Stärkeren. Und die Medien spenden Beifall.

Man darf in dieser ganzen Situation nicht vergessen, daß die USA nicht von einem Land (Afghanistan) angegriffen worden sind, sondern von einer Terrororganisation. Das Verhalten (der Angriff) der USA ist weder durch die Vereinten Nationen noch durch die Natoverträge gedeckt. Der Nato-Bündnisfall ist nicht gegeben und dadurch auch kein Handlungsbedarf für die Bundeswehr.

Die USA führen hier wieder einmal ihren Privatkrieg mit allen bekannten Zielen und Mitteln wie auch im Jugoslawienkrieg. Das Kind hat diesmal nur einen anderen Namen bekommen, nämlich „Krieg gegen den Terror“.

Durch ihre aggressive Politik haben sich die USA nicht gerade überall Freunde geschaffen. Und wir, als treuester Vasallenstaat, mischen wieder mit. Die deutsche Politik soll wieder mehr Gewicht in der Welt erhalten, wenn nötig mit militärischem Nachdruck, natürlich an der Seite des großen Bruders USA.

Heinz Fischle, Reutlingen und Thomas Maurer, Tübingen


 
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