© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   50/01 07. Dezember 2001


Schill unter Druck
Die Rechtspartei droht trotz Riesenchancen zu scheitern
Michael Wiesberg

Es klingt wie eine Drohung, und es soll wohl auch eine sein: CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer stellte mit Blick auf die „Schill-Partei“ klar, daß es „dauerhaft keine neuen Parteien rechts von der CDU im demokratischen Spektrum“ geben dürfe. Hamburg könne „kein Modell“ sein. Es sei Aufgabe der Union auf der rechten Seite, „alle Wähler, die gerade noch für demokratische Parteien ansprechbar sind, mitzunehmen auf dem Weg in die Zukunft”. Mit anderen Worten: Falls Schill außerhalb Hamburgs weitere Erfolge einfährt, wird ihm das Schicksal der Stigmatisierung als „rechtsradikal“ oder gar „rechtsextrem“ wohl nicht erspart bleiben. Denn so muß man die Worte von Meyer ja wohl deuten: Wer rechts von der CDU unbequem, sprich: zu erfolgreich wird, fällt nicht mehr in das von Meyer definierte „demokratische Spektrum“.

Meyers Drohung dokumentiert einmal mehr die strategische Impotenz der CDU. Während auf der linken Seite des politischen Spektrums inzwischen sogar die PDS salonfähig geworden ist, wird auf der rechten Seite jede Neuentwicklung von der Union systematisch demontiert. Zuletzt gelang dies mit den Republikanern. In einer Zeit, in der die SPD zwischen mehreren Bündnispartnern wählen kann, verbaut sich die Union mit ihrer überkommenen Doktrin, nach der es rechts von ihr keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, mögliche strategische Optionen. So wird sie auch in Zukunft auf die unberechenbare FDP angewiesen bleiben.

Diese strategische Impotenz korrespondiert mit einer völlig verqueren Lageeinschätzung der Unionsführung. Es ist eben nicht nur das Versagen des ehemaligen rot-grünen Senats in Hamburg im Bereich der inneren Sicherheit gewesen, das der Schill-Partei soviel Zulauf gebracht hat. Es ist im Kern auch und gerade die Sozialdemokratisierung der CDU, die rechts ein Vakuum hat entstehen lassen, das aktuell die sich ausschließlich pragmatisch gebende Schill-Partei besetzt hat. Die immer wieder von der Union praktizierte Unterbindung des Versuches, dieses Vakuum durch politische Alternativen zu füllen, untergräbt sukzessive die Akzeptanz der parlamentarischen Demokratie in Deutschland. Davon legen die seit Jahren rückläufigen Wahlbeteiligungen inzwischen ein beredtes Zeugnis ab.

Ob dem neuen Hamburger Innensenator Schill bewußt ist, auf welch vermintem Gelände er sich bewegt? Seine Partei Rechtsstaatliche Offensive wäre nicht die erste Parteigründung, die nach Anfangserfolgen durch den Rost gefallen ist. Darüber sollte auch die Regierungsbeteiligung in Hamburg nicht hinwegtäuschen. Sich auf diesem Gelände sicher bewegen zu wollen, heißt, Entwicklungen rechtzeitig antizipieren zu können. Dies ist Schill bisher nur zum Teil gelungen. Als richtig unter den obwaltenden Umständen ist zu bewerten, daß sich Schill rigoros gegen Rechts abgrenzt. Es bleibt ihm letztlich auch gar nichts anderes übrig, soll die Partei nicht bereits in den Startlöchern ins Straucheln kommen. Wer glaubt, die Schill-Partei wäre aufgrund ihrer Regierungsbeteiligung in Hamburg immun gegen den Extremismus-Vorwurf, sieht die Dinge nicht klar. Sehr schnell könnte zum Beispiel der Koalitionspartner FDP „Gewissensbisse“ bekommen und die Koalition platzen lassen. Deshalb zeugt der pragmatische Kurs der Schill-Partei von politischem Instinkt.

Weniger Instinkt hat Schill bisher bei der Außendarstellung der Partei und in Personalfragen bewiesen, wofür die Querelen im Zuge der anstehenden Gründung eines sachsen-anhaltinischen Landesverbandes der Partei nur ein Beispiel sind. Dort installierte Schill mit dem insbesondere in Sachsen-Anhalt umstrittenen Unternehmer Ulrich Marseille eine Art „Axt im Walde“. Dessen erste Amtshandlung bestand in der Entmachtung des ganzen Aufbaustabes und in der großspurigen Ankündigung, bei der Landtagswahl im April nächsten Jahres 30 Prozent für die Schill-Partei holen zu wollen. Schill selbst legte noch einen drauf und erklärte gegenüber der Welt am Sonntag: „Wir müssen den Ministerpräsidenten stellen, in aller Bescheidenheit.“ Andernfalls werde seine Partei nicht bei den Bundestagswahlen antreten.

Daß Marseille nicht an Minderwertigkeitskomplexen leidet, zeigt auch dessen Äußerung, daß er die Partei sei und alleine bestimme, wer er Sachsen-Anhalt Parteimitglied werden dürfe. Die einfachen Parteimitglieder haben wohl nicht zu Unrecht den Verdacht, daß sie die Hand- und Spanndienste zu machen und ansonsten den Mund zu halten haben. Marseilles herrisches Auftreten hat Folgen. Ein Aktivist erklärte, daß die „Masse der einst an der Parteigründung Interessierten inzwischen das Interesse an der Schill-Partei verloren“ hätte.

Auch in Hamburg selbst regt sich Unmut. Mitglieder werfen der Führung vor, sie respektiere zuwenig die Vorstellungen der Basis. Die Partei müsse sich stärker um Sozial-, Jugend- und Senioren-Politik kümmern und für die innere Sicherheit nicht nur Repression vorschlagen, sondern auch die Ursachen der Kriminalität bekämpfen. Moniert wird weiter, daß es in der Schill-Partei keine Diskussion über den Koalitionsvertrag gegeben habe. Schill bügelte diese Kritik wenig geschickt mit dem Hinweis ab, daß seine Partei etwa 2.000 Mitglieder habe, für die die etwa 15 Kritiker nicht repräsentativ seien.

Doch damit sind die Negativschlagzeilen der letzten Wochen keineswegs abgearbeitet. „Law and Order“-Mann Schill sieht sich auch dem Vorwurf ausgesetzt, an die Stelle der alten eine neue Filzokratie zu setzen. Als Beispiel dient den Medien Dirk Nockemann, seit 1. November Büroleiter von Innensenator Schill. Der Jurist leitete bisher das Landesamt für Asyl und Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern. In seinem neuen Beruf ist er leitender Regierungsdirektor mit ungefähr 9.000 Mark im Monat. Wenn Nockemann (43) nicht als Büroleiter arbeitet, dann ist er einer der Vorsitzenden der 25 Abgeordneten umfassenden Schill-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft. Dort bezieht er 8.480 Mark an Diäten. Denn als stellvertretender Fraktionsvorsitzender bekommt er doppelt so viel wie ein einfacher Abgeordneter. In der Bürgerschaft stimmt Nockemann dann auch über Gesetzesvorlagen des Senators ab, bei dem er selbst beschäftigt ist. Dies ist zwar rechtlich zulässig, politisch aber nicht opportun. GAL-Fraktionschefin Krista Sager nahm diesen Steilpaß gerne auf und nannte den Fall Nockemann eine „besonders dreiste Variante von Filz“.

Die Beispiele Nockemann und Marseille dokumentieren, daß es dem charismatischen Parteivorsitzenden Schill an diplomatischem Geschick und an Kontakt zur Basis mangelt. Diese Defizite könnten sehr schnell zu innerparteilichen Zerreißproben führen und alle hochfliegenden Pläne zu Makulatur werden lassen. 


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