© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/01 07. Dezember 2001

 
Proteste gegen die Reemtsma-Schau
Wehrmachtsausstellung: Gegner und Befürworter gingen auf die Straße / Linke randalierten vor der Berliner Synagoge
Alexander Barti

Die NPD sprach von mehr als 5.000, die Polizei von rund 3.000 Teilnehmern einer Demonstration am 2. Dezember in Berlin, die sich gegen die Wehrmachtsausstellung richtete. In den Tagen zuvor hatten zahlreiche Organisationen ihr eigenes Klientel gegen die Protestierer mobilisiert.

Entsprechend motiviert, wollten die Gegner der NPD-Veranstaltung unbedingt verhindern, daß die Teilnehmer durch die Auguststraße ziehen, wo sich die Reemtsma-Schau befindet, um nach einem Bogen am Alexnderplatz eine Abschlußkundgebung zu halten. Sammelpunkt der NPDler war die S-Bahnstation Friedrichstraße, die von Polizeikräften weiträumig abgesperrt wurde. Um 13 Uhr sollte sich der Zug in Bewegung setzen. Währenddessen spielten sich in der Oranienburger Straße, direkt vor der Neuen Synagoge, gewalttätige Szenen ab. Die selbsternannten „Antifaschisten“ wollten unbedingt auf der Oranienburger Straße bis zur Friedrichstraße weiterziehen, um das Durchkommen der Protestierer zu verhindern. Aber die Polizei dachte nicht daran, der „Bitte“ nachzukommen, sondern erklärte die angemeldete Gegendemonstration planmäßig für aufgelöst. Daraufhin kam es zum Eklat: Pflastersteine, Flaschen und Feuerwerkskörper wurden gegen die Einsatzkräfte geschleudert. Einsatzwagen wurden demoliert, Schaufenster gingen zu Bruch. Die Polizei ihrerseits ging mit Tränengas, Schlagstöcken und Wasserwerfern gegen den gewalttätigen Mob vor. In der johlenden Menge schwenkte man DKP-Fahnen und PDS-Banner. Auch zwei Flaggen des Staates Israel waren gehißt.

In der Zwischenzeit hatte sich der Marsch der Protestierer in Bewegung gesetzt. Mit Sprechchören wie „Ruhm und Ehre dem deutschen Soldaten“, „Die Wehrmacht war ein deutsches Heer - den Amis dient die Bundeswehr!“ oder „Macht den Wanderzirkus dicht - Reemtsmas Lügen wollen wir nicht!“ bewegte sich der Zug, von Polizei eskortiert, Richtung Oranienburger Tor. Auf dem Platz angekommen, hielten der NPD-Vorsitzende Udo Voigt und der Liedermacher Frank Rennicke eine Rede, in der sie Reemstma eine einseitige Geschichtsdeutung vorwarfen. Trotz der Absperrungen waren einige Linke bis zur Kundgebung vorgedrungen. Mit Rufen wie „Nazis verpißt euch“, „dumm, deutsch, asozial“ und „Stalingrad“ versuchten sie, die NPDler zu gewalttätigen Handlungen zu provozieren, was ihnen aber nicht gelang. Diese reagierten mit Spottliedern („Antifa-Hahaha“) auf die Beschimpfungen. Nach etwa einer Stunde setzte sich der Demonstrationszug wieder in Bewegung, um über die Chaussee- in die Invalidenstraße zu gelangen. Dort wurde die Veranstaltung mit der fadenscheinigen Behauptung, man könne die Sicherheit nicht mehr garantieren, polizeilich aufgelöst. „Zufälligerweise“ standen die Sonderzüge am S-Bahnhof Nordbahnhof schon bereit, um die Gegener der Wehrmachtsausstellung wieder vor die Tore der Stadt zu bringen. In einer spontanen Schlußansprache empörte sich Rennicke über die polizeiliche Willkür, forderte die Demonstranten aber nicht zum Widerstand auf. Nach dem Singen des Deutschlandliedes begann der geordnete Abmarsch.

Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) entschuldigte sich nach am Montag bei der Jüdischen Gemeinde für die schlechte Informationspolitik seiner Behörde. Die Gemeinde selbst diskutiert hingegen über eigene Fehler. Es sei ihr schon am 27. November versichert worden, daß der NPD-Marsch nicht vor der Synagoge stattfinden wird. Daß einzelne Gemeindemitglieder trotzdem zum Protest aufgerufen haben, sei daher verwunderlich, so der Vorsitzende Alexander Brenner. Die NPD prüft nun, ob ihre Rechte verletzt wurden, denn man hatte mit der Polizei eine totale Geheimhaltung der Route vereinbart.


 
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