© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/01 07. Dezember 2001

 
Bildung: Eine Bundesbehörde macht im „Kampf gegen Rechts“ mächtig Stimmung
Die neue Staatsbürgerkunde
Jutta Winckler

Die Bundeszentrale für politische Bildung sitzt in Bonn und weiß sich umgeben von den Landeszentralen in den jeweiligen Bundesländern. Wer kennt nicht aus seinen Schultagen ihre großformatigen Broschüren? Ihre politischen Bildner stellen Unterrichtsmaterialien in Millionenauflagen, für mittlerweile strafrechtlich verminte Territorien, deren Deutungsmonopol man vom Staatsanwalt bewachen läßt. Um auf Argumente nicht völlig zu verzichten, darf ein eng bemessener Kreis öffentlich bestallter Federn die offiziöse Bewertung verlautbaren. Dominierten im Kalten Krieg noch antikommunistische Themen, so dominiert seit dem Ende der Blockkonfrontation die Globalisierungsproblematik.

Es gilt, die Menschenrechtsideologie zu inthronisieren, um die „Bevölkerungen“ sturmreif zu kommunizieren. Teil dieses medialen Dauerfeuers ist das Wirken besagter Zentralen; seit ungefähr zehn Jahren widmet man sich dort verschärft der inneren Verfassung des Landes: Einwanderung, Asyl, Ausländerfeindlichkeit, multikulturelle Gesellschaft, Fremdenhaß, rassistisch motivierte Gewalt, Skinheads, religiöse Toleranz. Zur Konditionierung stehen insbesondere jüngere Jahrgänge an: Sie dürfen ebensowenig wie Ex-Kanzler Kohl die „Gnade der späten Geburt“ geltend machen - sie müssen zukünftig „Verantwortung“ tragen, lernen, sich „als Deutsche“ negativ-national zu verhalten, indem sie herkunftsbezogen motivierten Verzicht auf politische Handlungsoptionen üben. Da die Deutschen heute nur noch von Freunden umzingelt sind, schickt es sich, Feindbilder abzulegen und auf Vorurteile zu verzichten.

Solche Weltsicht betreibt das 271. Heft (2. Quartal Mai 2001) der Informationen zur politischen Bildung: „Gegen rechtsextreme Vorurteile“ zieht das halbamtliche Blättchen zu Felde und schon auf dem Titelbild bleibt kein Auge trocken, zeigt man uns doch einen Schnappschuß aus bewegter Zeit. Am Nikolaustag 1992 kam es auch in München zu nächtlichem Fackelziehen gegen das Böse „von rechts“. Über die noblen Meilen der Bayernmetropole zog alles, was Beine hatte. In erster Linie zog man gegen sich selbst, denn es ist der „Hitler in uns“, den es immer und überall zu bekämpfen gilt.

In Bonn, zwischen Nudisten-Therme und Stadttheater, residiert die Zentrale der politischen Zentralbildner; von dort bringen Elke D., Jürgen F., Christine H. und Jutta K. ihre kostenlosen Informationen unters aufklärungsheischende Schulvolk, die aktuelle Edi-tion in knappst bemessener Auflage von 920.000 Exemplaren. „Vorurteile-Stereotype-Feinbilder“ lautet deren Titel und abermals stehen bewährte Kräfte dafür ein, daß es zu keinen Irritationen kommt: Professor Wolfgang Benz aus der Hauptstadt, neben Winkler, Mommsen und Wippermann der vierte Großwesir im Vergangenheitsbewältigungsreich, und überhaupt ist Berlin der Herkunftsschwerpunkt der Bildner. Damit der Proporz gewahrt bleibt, sitzen Druck und Vertrieb in München: Bloß der Norden fehlt, doch dort hat man Dr. Urlau, den Oberguru des Parteienschutzes.

Was das vorliegende Heft so ärgerlich erscheinen läßt, ist nicht so sehr der gängelnd-eifernde Gestus seiner BeiträgerInnen, als vielmehr ein Etikettenschwindel, der bereits im Vorwort des Historikers Faulenbach zum Ausdruck kommt: Es gehe um „den Abbau von Vorurteilen“ durch „differenzierte Diskussion“. Nichts ist weniger der Fall, denn man bleibt unter sich, im engsten Kreis, und versichert sich der Richtigkeit der eigenen Vorurteile. Wenn es zutrifft - Faulenbach zitiert den Brockhaus -, daß das inkriminierte Vorurteil, das menschenrechtsbeeinträchtigende Ressentiment, darin besteht, daß die betreffende „Einstellung nicht an der Realität überprüft wurde“, und somit „die Möglichkeit einer Korrektur durch Erfahrung … verweigert wird“, so bewegt sich besagtes Heft auf dünnem Eis. Dafür ist man bereit, seinerseits mit den vermeintlich verabscheuten „Vorurteilen“ zu arbeiten: „verallgemeinernd, vergröbernd und vereinfachend“, auf daß „die Rechten“ ausgrenzt werden. Man spricht nicht mit ihnen, sondern ausschließlich über sie. In einer Manier, die „von Individuen auf ganze Gruppen übertragen, ... häufig der Diskriminierung“ dient. Die hier freilich einen positiven Wert darstellt, dreht es sich bei rechtem Denken, laut Faulenbach, doch um „soziale Urteile …, die gegen anerkannte menschliche Wertvorstellungen (Rationalität, Gerechtigkeit, Gleichbehandlung und Mitmenschlichkeit) verstoßen.“

Anerkannt? Menschlich? Die Münze politischer Kammerjäger war nie klein, 2001 ist sie so groß wie nie zuvor. In keiner weltanschaulichen „Wertegemeinschaft des Westens“ freilich ist „der Raum der geistigen Freiheit“ so neototalitär „verdampft“ (Günter Maschke) wie in der BRDDR; skurrilerweise ähneln die „Demokrazis“ ihrem Feind, „den Nazis“, mittlerweile aufs Haar, seit es Verbote, Erlasse, Gesetze, Straftatbestände, Haftstrafen „gegen Rechte“ hagelt und die Zahl der „Politischen“ in BRD-Knästen im Jahr 2001 größer ist als sie in Honeckers Diktatur je war. Diese verknackten „Neonazis“ sind die Kinder von Kohl und Coca-Cola, keineswegs - wie eine endlos hämmernde Propaganda glauben machen möchte - die von Hitler und Hess. Eben: Auch die Mär von der „rechten“ Gefahr erweist sich „als stabil und durch Erfahrung oder Argumentation nur schwer erschütterbar“ (Faulenbach). Den machtgeschützten Diskursverweigerern stünde es gut, um ihrer eigenen Ideale willen, „Toleranz ebenso einzuüben wie den Umgang mit Fremden und Neuem.“

Das einschlägige BpB-Heft wittert in folgenden Bereichen vorurteilsmäßigen Unrat: Fremdenwahrnehmung, Akzeptanz türkisch-muselmanischer Einwanderung, Polen in der BRD, Rassenwahrnehmung, mediale Darstellung des Fremden, Einstellung zu Juden, Zigeunern (alias „Sinti & Roma“), Antikommunismus, Ost-West-Gegensatz, sozial Deviante und Behinderte. Die kausale Erklärungsmatrix der Feindbildfeinde stammt naturgemäß aus dem Handwerkskasten US-amerikanischer Sozialingenieure und hebt auf „soziale bzw. psychologische Prozesse“ ab. Hierbei handelt es sich um funktional-strukturelle Analysen dessen, was „Vorurteile“ für „die Gesellschaft“ leisten bzw. wo und wie sie sich als „dysfunktional“ erweisen. Die Pointe dieser unter anderem am US-Großsoziologen Parsons geschulten Methode lautet: Vorurteile werden nie beseitigt, sondern bloß ersetzt. Durch andere, neue.


 
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