© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/01 14. Dezember 2001


Denkmäler
Die vergessenen Helden
Dieter Stein

Wenn nicht ein aufmerksamer Leser einen Zeitungsausschnitt in einen Briefumschlag gesteckt hätte, wer weiß, ob ich davon erfahren hätte. Auf einem etwa postkartengroßen, farbigen Foto sieht man Handwerker, wie sie Trageseile an einem Denkmal befestigen. Eine Handwerkerin lockert mit einer Schlagbohrmaschine den Sockel. Auf der Sandsteinstele steht in großen Lettern eingemeißelt: „Polen“, „Malta“, „Kreta“, „England“, „Krim“, „Narvik“, „Nordsee“, „Eismeer“. Unter dem Bild schreibt die Zeitung: „Umstrittenes Fliegerehrenmal wird abgebaut. Steinmetze bauen das umstrittene Fliegerehrenmal in Lüneburg ab. Das fünf Meter hohe Denkmal soll in die Obhut der Bundeswehr übergeben werden. Die Sandsteinstele erinnert an die Toten des ehemaligen Kampfgeschwaders 26 und war häufig verunstaltet worden.“

Bei der Recherche im Internet stoße ich auf die Schilderung der Stadt Lüneburg ( www.lueneburg.de/presse_lg/detail.cfm?ID=918 ). Dort wird der Abbau leutselig beschrieben: „Mit dem Winkelschleifer fräsen die Arbeiter den Zement aus den Fugen des Fliegerehrenmales an der Lindenstraße. Windböen wirbeln feinen Staub um die Säule. Mittwochmorgen wurde das arg beschmierte und beschädigte Denkmal des Kampfgeschwaders 26 in zwei Hälften geteilt und abgebaut. (...) Oberbürgermeister Ulrich Mädge: ‚Die Verlegung war der einzige Weg, um das Ehrenmal vor weiterer Zerstörung zu schützen. Ich bin der Bundeswehr dankbar, daß sie es in ihre Obhut übernimmt.‘“ Auf einem hier abgebildeten Bild erkennt man die mit Spraydose aufgebrachte Parole: „Ehrt keine Mörder!“

Nun soll das Denkmal nach dem Willen der Lüneburger Stadtverwaltung in der Theodor-Körner-Kaserne - wer weiß, in welchem Winkel - aufgestellt werden, der Kaserne nebenbei, in der ich 1988/89 meinen Wehrdienst absolviert habe.

Man erinnert sich fröstelnd an die ehrfürchtigen Worte des damaligen französischen Staatspräsidenten François Mitterand, ein Sozialist, der bei einer Gedenkrede in Deutschland erklärte: „Verneigen wir uns vor den deutschen Soldaten, die in diesem Kampf gefallen sind. Sie hatten Mut, sie liebten ihr Vaterland, dessen muß man sich gewahr werden.“

Es ist eine Schweinerei, wie die politisch Verantwortlichen mit den seltenen Denkmälern für die Gefallenen der Weltkriege umgehen, und es ist eine Schande, wie seelenruhig die Deutschen dies hinnehmen. Es sind die Denkmäler, die an ihre gefallenen Väter, Großväter, Brüder und Onkel erinnern. Kein anderes Volk würde es dulden, daß seine Denkmäler derart verhöhnt werden.


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