© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/01 14. Dezember 2001

 
Gott sei Dank nicht konservativ
Stadtgestaltung: In Frankfurt am Main ist ein heftiger Streit um das „Haus am Dom“ entbrannt
Werner Olles

Die Kriegszerstörungen und Flächenbombardements des Zweiten Weltkrieges hatten das Erscheinungsbild der deutschen Städte gründlicher verändert als jede Epoche zuvor. Der Wiederaufbau und die ein wenig unkritisch als „Wirtschaftswunder“ bezeichnete Rekonstruktionsperiode gaben den Städten eine neue Physiognomie. Die Menschen, darunter viele Flüchtlinge aus den verlorenen Ostgebieten, brauchten bezahlbaren, zweckmäßigen Wohnraum. Damit begann die sogenannte „zweite Zerstörung“ (Wolf Jobst Siedler) unserer Städte. Auch Frankfurt am Main blieb von diesem architektonischen Vandalismus nicht verschont. Der später als „Brutalismus“ unrühmlich bekannt gewordene Architekturstil der fünfziger Jahre setzte sich auch hier weitgehend durch, anstelle der fast gänzlich zerstörten historischen Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen und kleinen Plätzen prägten nun monotone Flachbauten das Bild.

Eines der wenigen erhalten gebliebenen Gebäude, das unweit des Doms gelegene alte Zollamt, soll nun neubebaut werden. Für zehn Millionen Mark hat das Bistum Limburg der Katholischen Kirche das Grundstück von der Stadt erworben und will auf diesem ein Kommunikationszentrum mit Café, Bibliothek und Versammlungsräumen errichten. Im Erdgeschoß wird das Museum für moderne Kunst in den nächsten dreißig Jahren als Mieter seine eigenen Ausstellungen zeigen können. Nun hatte sich das Bistum im Falle des „Hauses am Dom“ für einen Architekturwettbewerb entschieden, zu dem sechs Büros ihre Entwürfe einreichten. Den ersten Preis erhielt das Büro PAS Jourdan und Müller. Deren Entwurf sieht jedoch lediglich die Erhaltung der historischen Bausubstanz für die unteren Geschoße vor, während der zum Dom ausgerichtete Kopfteil mit großen, unregelmäßigen, schrägen Glasflächen, einem Pultdach und teilweise ausgestellten Fassadenelementen völlig neu errichtet werden soll. Zur auf den Rîmerberg führenden Braubachstraße gibt sich der Entwurf sehr beliebig und schert sich augenscheinlich auch nicht um die historische Umgebung und die Steinwurfnähe des Domes.

Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) zeigte sich in einer ersten Stellungnahme „entsetzt“ und äußerte in einem Vortrag vor der Polytechnischen Gesellschaft, der Entwurf des Frankfurter Architektenbüros PAS Jourdan und Müller habe ihr „Schuhe und Strümpfe“ ausgezogen. Sie rief die Frankfurter auf, mit ihr gemeinsam dieses Bauvorhaben zu verhindern. Ähnlich reagierten die Römer-Abgeordneten, die sich nach kurzer Besichtigung des preisgekrönten Entwurfes in ihren Fraktionssitzungen auf ein negatives Votum festlegten. Der Finanzdirektor des Bistums Limburg, Georg Freiherr von Boeselager, sprach hingegen von einer „untypischen Vorgehensweise zwischen der Stadt und der Kirche“ und plädierte dafür „erst Ruhe in die aufgeregte Diskussion“ kommen zu lassen, um dann erneut in einen Dialog einzutreten. Er versicherte jedoch, daß die Katholische Kirche nichts bauen werde, was nicht im Konsens mit der Stadt abgestimmt werden könne. Das Merkwürdige an der jetztigen Diskussion ist, daß ausgerechnet die Katholische Kirche im uralten Streit zwischen „Modernisierern“ und „Historisierern“ ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist, weil sie sich mit ihrer voreiligen Entscheidung auf die Seite der „Modernisierer“ geschlagen hat. Wurde sie bei der Schlüsselübergabe von der Oberbürgermeisterin noch für ihren „Wagemut“gelobt, weil sie das Museum für moderne Kunst mit seinen Ausstellungen für dreißig Jahre ins eigene Haus läßt, so bekommt sie jetzt den Unmut Petra Roths und der Frankfurter zu spüren.

Es ist eben nicht immer ratsam, auf „Modernisierung“ um jeden Preis zu setzen. Was aber, wenn die angestrebte Bebauung lediglich ein Symptom ist für den schleichenden Modernisierungs-„Umbau“ in der Katholischen Kirche selbst?


 
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