© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001


Verfassungsputsch
von Josef Schüßlburner

Der von den Iren in einer Volksabstimmung abgelehnte Vertrag von Nizza, welcher als Voraussetzung für die Osterweiterung der EU ausgegeben worden ist, scheint hierfür auf einmal auch nicht mehr unbedingt notwendig zu sein. Die Ostererweiterung kommt trotzdem. Deshalb wird jetzt, wie vom Europäischen Rat zum Abschluß der belgischen Präsidentschaft im Königspalast zu Laeken beschlossen, unter Vorsitz eines Vertreters des Ancien régime der Eurokratie ein Europäischer Konvent einberufen, der so etwas wie eine Europaverfassung vorbereiten soll. „Europa“ soll dadurch „demokratischer“ und „bürgernäher“ werden.

Demokratie und Bürgernähe werden in Europa jedoch dadurch gewahrt, indem man ein wesentliches Grundrecht der demokratisch regierten Mitgliedstaaten anerkennt: Das Austrittsrecht aus Europa. Dann ist nämlich gewährleistet, daß die europäische Vereinigung eine freiwillige bleibt und ruinöse Ausgleichzahlungen vermieden werden, weil die zur Zahlung verpflichteten Staaten mit Austritt drohen können. Soll dieser Grundsatz verankert werden? Natürlich nicht: Man will in Zukunft nicht mehr mit Volksabstimmungen wie in Irland belästigt werden, sondern derartiges soll bald, da „gegen Europa“ gerichtet, wie in der „wehrhaften Demokratie“ der BRD vorbildlich eingeübt, als „verfassungsfeindlich“ eingestuft, verfolgt oder zumindest ignoriert werden können. Es droht ein Verfassungsputsch der Berufseuropäer gegen Demokratie und nationale Unabhängigkeit der europäischen Völker.


 
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