© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001

 
CD: Deutschrock
Appetitanregend
Holger Stürenburg

Der in Köln lebende Rockpoet Wolf Maahn gilt als einer der besten Liederschreiber der Republik. Er ist seit über 20 Jahren im Geschäft und nahm 1982 zu Hochzeiten der Neuen Deutschen Welle sein erstes deutschsprachiges Album „Deserteure“ auf. Seitdem sind zwölf Platten von ihm erschienen, die zum Besten gehören, was die deutsche Rockmusik hervorgebracht hat. Doch in den ausgehenden 1990er Jahren stand deutsche Rockmusik nicht mehr im Trend. Auch Wolf Maahn gehörte zu den Opfern dieser Entwicklung: Er verlor seinen Vertrag beim Medienriesen EMI und kam vor einem Jahr bei der kleinen unabhängigen Firma Koch Records unter. Dort ist soeben die CD „Absolut - Best of“ erschienen, die zumindest die bekanntesten Lieder des einst als „deutscher Springsteen“ bezeichneten Rockers enthält. Neben 13 Singles aus Maahns Karriere gibt es eine Hip-Hop-lastige Neuaufnahme der romantischen 85er-Single „Ich wart auf Dich“, einen Remix des 95er-Albumtracks „Sterne in meinen Schuhen“ sowie Maahns diesjährigen Beitrag zur deutschen Vorentscheidung des Grand Prix Eurovision, „Better Life“. Zwei ganz neue Lieder, „Easy now (All ihr Leute...“) und „Sie“, stehen, was Qualität und Intensität betrifft, den Klassikern Maahns in kaum etwas nach. Der heute 46jährige ist vom schweißtreibenden Rock eines Bruce Springsteen genauso beeinflußt wie von der zerbrechlichen Lyrik eines Bob Dylan, aber auch von schwarzen Soulklängen à la Stevie Wonder. Als die deutsche Rockmusik Mitte der Achtziger ihre größten Erfolge feierte, brachte Wolf Maahn seine Alben „Irgendwo in Deutschland“ (1984) und „Kleine Helden“ (1986) auf den Markt, die als innovative und intime Abbilder der frühen Kohl-Republik gelten. „Fieber“, „Rosen im Asphalt“ und der Titelsong waren Hymnen der kritischen Deutschrock-Generation. Sie befinden sich genauso auf „Absolut“ wie das aus „Kleine Helden“ ausgekoppelte, eher poppige „Karussell“. „Der Clown hat den Blues“ untermalte den düsteren Herbst 1984, während „Stunde um Stunde“ fünf Jahre später ein für deutsche Verhältnisse vollkommen unpathetisches Liebeslied darstellte. Aus Maahns 92er-Album „Der Himmel ist hier“ befinden sich die Singles „Total verliebt in Dich“ und „Gut, Gut, Gut“ auf dieser Best-of-Kollektion, aus „Mahnsinn“ (1990) das hymnische „Wenn der Regen kommt“. Von dem Album „Deserteure“ hat der pazifistische Titelsong den Weg auf „Absolut - Best of“ gefunden sowie „Hallo Sehnsucht“ und „Durch alle Zeiten“, die seinem letzten EMI-Album „Soul Maahn“ entnommen wurden.

Für den Neuling, der Maahns Rockhymnen bislang nicht kannte, stellt „Absolut - Best of“ einen guten Einstieg dar. Der langjährige Anhänger des großgewachsenen Kölners hingegen muß feststellen, daß die wirklich besten Maahn-Songs fehlen. Wo ist etwa „Ich bin erregt unentwegt“ (1982) oder „Die Sucht der Träumer” (1983)? Auch „Der Himmel über Dresden“ (1990) fehlt, wie das traumhaft schöne „Reicher Romeo“ (1992) oder der böse „Königsdorf-Tango“ (1982). Zudem wäre es interessant gewesen, längst vergriffene Titel wie „Tschernobyl (Das letzte Signal)“ oder „Blinder Passagier“ auf diesem Wege den Fans ins Gedächtnis zurückzurufen - zumal lange Zeit das Gerücht kursierte, es gäbe ein komplettes Album mit raren Liedern aus Maahns Karriere.

Maahns Kompositionen sind eingängig, meist hymnisch, seine Texte intelligent formuliert und nachdenkenswert. Trotzdem hinterläßt „Absolut - Best of“ einen faden Nachgeschmack. Somit sei den Käufern dieser CD anzuraten, sich mit ihr nur Appetit auf mehr zu machen - und sich dann bald „Irgendwo in Deutschland“, „Kleine Helden“ oder „Deserteure“ zu kaufen, um den ganzen, vollständigen Wolf Maahn genießen und nachvollziehen zu können.


 
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