© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/01 01/02 21. Dezember / 28. Dezember 2001

 
Der ewige Irrsinn auf den Highways
Kino II: „Joy Ride - Spritztour“ von John Dahl bietet Nervenkitzel pur
Claus-M. Wolfschlag

Highways, die amerikanischen Autobahnen, scheinen eine merkwürdige Aura auszustrahlen. Unzählig sind mittlerweile die „road-movies“, bei denen sich Menschen in ein Auto setzen, auf den Highway fahren, dort allerhand Unbill und absurde Ereignisse durchleben, um am Ende geläutert, gereift oder gestählt an irgendeinem Ziel anzulangen. Vielen Menschen begegnet man dort auch, die das zu lange Fahren nervlich mitgenommen zu haben scheint. Und besonders unangenehm wird es, wenn solche Zeitgenossen ihren Dachschaden mit Hilfe von Messern, Pistolen oder sonstigen Waffen auszukurieren erhoffen.

Auf solch einen Highway-Spezialisten mit gehörigen Störungen im Hinterstübchen treffen die Helden in John Dahls neuem Thriller „Joy Ride - Spritztour“. Eigentlich erwartet Collegestudent Lewis Thomas (Paul Walker) eine schöne Zeit. Zusammen mit Venna (Leelee Sobieski), einer guten Freundin und heimlichen Liebe, wird er schon bald zu einer Autoreise durch den amerikanischen Kontinent aufbrechen. Doch das junge Glück scheint gefährdet durch Lewis’ Bruder Fuller (Steve Zahn), einen Taugenichts, wie er im Buche steht. Auf seiner Fahrt zu Venna macht Lewis einen Abstecher zum Gefängnis, aus dem sein Bruder soeben entlassen wird. Statt sich zu einem Therapeuten, Sozialarbeiter oder gar einer Arbeitsstätte fahren zu lassen, beschließt Fuller zu Lewis’ Unbehagen, sich als drittes Rad am Wagen mit an den romantischen Kurztrip zu hängen. Unfähig, seinem aufdringlichen älteren Bruder diesen Wunsch abzuschlagen, muß der gutmütige Lewis fortan dessen dämliches Geschwätz und schlechte Scherze ertragen. Weil er nichts Besseres mit sich anzufangen weiß, kauft Fuller für die Fahrt ein CB-Funk-Gerät, horcht und quasselt, als hätte er drei Jahre in der Dunkelzelle gesessen, und spielt damit schließlich einem unbekannten Truckfahrer einen Streich: Er nötigt seinen jüngeren Bruder, dem Trucker mit gespielter Frauenstimme sexuelle Andeutungen zu machen, ihn nachts mit Champagner in das Motel-Zimmer eines cholerischen Handelsreisenden zu locken. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, scheint es. Pech nur, daß der Scherz daneben geht, daß der Trucker ein notorischer Psychopath zu sein scheint, daß die Polizei den unschuldigen Handelsreisenden jedenfalls am nächsten Tag schwerverletzt, mit herausgerissenem Unterkiefer, auf dem Highway findet. Doch als die beiden Brüder Venna endlich zum gemeinsamen „Roadtrip“ abholen, scheint alles vergessen - bis sich der wütende Highway-Killer wieder über CB-Funk bei den Jugendlichen meldet.

Eine Dreiecks- bzw. Vierecksgeschichte also. Zwar verlautbaren die Filmemacher allerlei Gedanken zum psychologischen Konflikt zwischen dem wohlerzogenen, moralischen Lewis und dem innerlich permanent unruhigen, unbedachten, draufgängerischen Kleinganoven Fuller, dem man es eigentlich gönnen wurde, ein paar Mal Bekanntschaft mit einem stählernen Truck-Schraubenschlüssel zu machen. Doch die Charaktere werden im Grunde nur fertig präsentiert, ihre Zerrissenheit nur angedeutet, die Geschichte ihrer Unterschiedlichkeit und individuellen Entwicklung verschwiegen. Seltsam blaß bleibt auch Lewis’ Freundin Venna, die den Wettstreit der beiden Männer um ihre sexuelle Gunst ohne Klärung in der Schwebe verharren läßt. Zuviel Drama, zuviel Psychologie schien womöglich für das jugendliche Zielpublikum zu anstrengend. Statt dessen bestimmt die Handlung das Geschehen - leichter nachvollziehbar, mit professionellem Spannungsbogen. Regisseur John Dahl („Red Rock West“, „Die letzte Versuchung“) orientierte sich an Vorbildern wie Steven Spielbergs „Duell“ oder „Driver“. Auch bei ihm bleibt der Killer eine anonym agierende Macht, in das unbeschwerte Leben der Protagonisten wie eine Naturgewalt einbrechend.

Dennoch schmälert dies nicht den Kinobesuch. „Joy Ride - Spritztour“ lebt von der gelungenen Kombination aus Psychothriller und Elementen der Teeny-Komödie. Schwarzer Humor lockert die Krimihandlung auf, löst Spannung, um danach den Bogen wieder anzuziehen. Produzent und Co-Drehbuchautor J. J. Abrams verlautbarte hierzu: „Johns Filme besitzen eine wundervolle Ironie, einen realen Sinn für Humor, Menschlichkeit und Gefühl für das Dunkle.“ Und Sinn für mitreißenden Nervenkitzel, mag man hinzufügen. 

 

Fototext: Fuller (Steve Zahn), Lewis (Paul Walker) und Venna (Leelee Sobieski): Blasse Charaktere


 
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